Hi,
so lange die narzisstischen Mechanismen funktionieren, kommt es m.E. nicht zu einer sog. neurotischen Störung wie Angst oder Depression. Wenn sie aber scheitern (z.B. Arbeitsplatzverlust, Scheidung, vielleicht auch schlichtes Älterwerden), ist die Depression quasi vorprogrammiert - manchmal sogar mit spektakulären Suiziden.
Ich glaube, dass hinter Angststörungen immer ein narzisstisches Problem steckt, das aber bei Narzissten anders gelagert ist als bei normalen Angstkranken. Normale Angstkranke haben eher einen unterentwickelten Narzissmus (= nicht nur Eigenliebe, sondern auch die Überzeugung/das Gefühl, zu genügen, sich auch mal selbst zu genügen, allein ein Stück weit zurecht zu kommen). Da entsteht die Angst, allein den Symptomen nicht gewachsen zu sein, nicht allein bleiben zu können, sich (bei Krankheitsängsten) nicht auf den eigenen Körper verlassen zu können, Gefühle nicht auszuhalten.
Bei einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung beruht das gesamte Selbstbild und der Selbstwert auf der Größenphantasie, niemanden zu brauchen. Entsprechend bedrohlich ist es dann, wenn die Realität dieses Bild auch nur anzukratzen droht. Zu den normalen krankhaften Ängsten kommt dann die Zerstörung des Selbstbildes dadurch, dass man als Übermensch überhaupt Angst hat, und die noch größere Angst, dass andere das bemerken könnten. Das ist m.E. ein guter Nährboden für Alk. oder Medikamentenmissbrauch, um die Angst im Keim zu ersticken, ohne Hilfe suchen zu müssen.
Zitat von omegaman:Umgekehrt kann aber auch eine langjährige Angsterkrankung dazu führen, dass man sich extrem von allem Normalen und Menschlichen entfernt (Misstrauen), und sich selbst, innerlich und nach aussen, krankhaft egoistisch über die Dinge und die anderen Menschen stellt (Selbstschutz und künstliche Aufrechterhaltung der inneren Wertigkeit).
Ich denke nicht, dass sich aus einer Angsterkrankung eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung entwickeln kann. Sicher verändert man sich aufgrund der Erkrankung - und das nicht notwendigerweise nur zum Positiven. Dennoch sind es Verhaltensweisen, die flexibler bleiben als es Persönlichkeitszüge - krank oder gesund - normalerweise sind. Es gibt einen Weg zurück zum Normalen, auch wenn Verhalten und Erleben gegenüber der Zeit vor der Erkrankung verändert sein mögen. Und von Seiten der Psychodiagnostik weiß ich, dass sich eine Persönlichkeitsstörung nicht im Erwachsenenalter entwickelt. Egal, wie man sich dann aufführt, ist es per Definition keine Persönlichkeitsstörung.
Aber es ist natürlich möglich, dass man sich als Angstkranker, dessen Selbstwert i.d.R. durch die Angsterkrankung mehr als angeschlagen ist, zur Kompensation narzisstischer Mechanismen bedient. Auch für viele Nicht-Narzissten ist es schlimm, wenn andere von ihrer Angsterkrankung erfahren oder sie ihnen gar anmerken. Oder man fühlt sich im normalen Alltag so als Versager, dass man die Dinge, die man kann, überbetont. Das Bedürfnis, sich ständig optimal abzusichern, vielleicht ständig jemanden um sich zu haben, lässt egoistisch erscheinen. Und misstrauisch. Denn wer weiß, wie zuverlässig der Andere im Notfall ist oder ob er nicht doch meine Probleme rausposaunt? Oder man wird tatsächlich egoistisch, weil man selbst so leidet, während es alle anderen offensichtlich ohne diese Sch...-Angst so einfach haben. Da möchte man einen Ausgleich vom Schicksal oder von der Umgebung. Und wenn man selbst Jahre bis Jahrzehnte an eine Angsterkrankung verloren hat, lässt das Verständnis für anderer Leute Problemchen u.U. auch nach. Der hat Angst um seinen Arbeitsplatz? Lächerlich - ich wünschte, das wäre
meine einzige Angst!
So viel zu meiner Meinung... Ein interessantes Thema übrigens, hatte den Thread wohl übersehen.
Liebe Grüße
Christina