Gast
Hallo, eigentlich suchte ich im Forum nur nach einer Lösung des Hyperhidrosis- Problem meiner Frau. Dabei habe ich eure Beiträge gefunden und wurde an die Zeit vor zwei Jahren erinnert, als es mir ähnlich erging: Panik, Angst, raus hier, mir wird schlecht, ich glaub ich krieg ein Herzinfarkt usw. Und das Herz hörte einfach nicht auf zu hämmern.
Auslöser waren neue aufregende Lebensumstände, welche den ganzen Mann forderten. Meine Freundin jetzt sind wir verheiratet- bekam unser erstes Kind und mein Einstieg ins Berufsleben stellte mich von neue große Aufgaben. Ich sollte allem gerecht werden und dabei noch lächeln. Normalerweise hätte ich auch alles gut überstanden, wenn ich nicht an meinem 31 Geburtstag einfach umgefallen währe. Nicht das es ein großer Auftritt gewesen war, nein. Das Problem war: Mein Körper galt bis zu diesem Tag als nahezu unzerstörbar. Immerhin war ich sehr sportlich. In meiner Kindheit habe ich Leistungssport (DDR) genossen, und auch die NVA ohne Anzeichen von Schwäche überstanden. Dort wurde übrigens noch gebohnert und nicht wie heute staubgesaugt. Na ja, ich war also richtig fit und dann das: Kein Verlass mehr auf die eigenen Zellen. Als Erstes ließ ich einen Gesundheits- Check machen. Alles super. Es musste doch aber irgendetwas mit mir sein!? Also ließ ich mich darauf ein in mich hineinzuhören. Eine Entscheidung, welch mir das Leben bald zur Hölle machten sollte. Meine Odyssee begann.
Schwindelanfälle, Herzrasen und Beklemmungen waren ständige Begleiter, welche von meine Gedanken nach belieben gerufen werden konnten. Ein kleines zwicken, sonst nichteinmahl wahrgenommen, wurde zum Krebsgeschwür und ein Kribbeln zu einer Thrombose, welche jeden Moment das Herz erreichen wird. Je mehr ich über Krankheitsbilder wusste, ich interessierte mich brennend dafür, desto eher konnte jedes noch so kleine Symptom die schwerste Krankheit bedeuten. Meine Gedanken nahmen Einfluss auf den Körper und untergruben dessen Vertrauen zum Unterbewussten. Ich ahnte: Alles war nur psychisch und doch erdrückte mich die Angst wie die Schrottpresse ein altes Auto.
Das Ganze dauerte ca. ein halbes Jahr bis ich endlich die Schnauze voll hatte. So wollte ich nicht weiterleben. Da das Vertrauen in meinen Körper grenzenlos enttäuscht war und ich darüber im Selbstmitleid zerfloss, stellte ich mir die Aufgabe dieses Vertrauen wieder herzustellen, unter allen Umständen. Ein zuverlässigstes Mittel erschien mir die Bewegung. So fing ich wieder an häufiger zu joggen. Unter dem Motto: Was uns nicht umbringt macht uns stärker lief ich was das Zeug hielt. Um so schlechter es mir ging, desto mehr lief ich. Immerhin wurden dabei ja auch jede Menge Glückshormone ausgestoßen, die ich dringend brauchte. Gerade wenn mein Herz auf 170 Schlägen/min war schrie ich meinem Körper zu: Nun kack doch ab! Das willst Du doch immer! aber nichts passierte. Das Herz hämmerte, die Luft strömte durch die Lungen und auch alle anderen Organe versahen ihren Dienst bravorös. Mein Körper war OK, nur das Vertrauen zu ihm musste neu definiert werden. Nach jedem Lauf fasste mein Unterbewusstsein mehr Vertrauen in seinen Körper. Ein Vorgang den nur die beiden unter sich ausmachen konnten. Um das zu forcieren musste nun das Gehirn als Unruhestifter dazwischen abgelenkt werden. Deshalb gestaltete ich meinen Tagesablauf so, dass ich stets voll ausgelastet war ohne überfordert zu sein. Vor allem körperliche Arbeit, beispielsweise im Garten, war besonders gut. Dabei darf man sich natürlich nicht beim Efeu zupfen ewig aufhalten, weil man dann schon wieder Friedhofsgedanken hegt. Es muss was richtiges geschaffen werden, über das man sich am Ende freuen kann. Die Seele musste gestreichelt werden. Ich suchte den Kontakt zu anderen Menschen- quasseln hilft.
Hilfreich war auch der Wunsch meiner Frau welche meine Anwandlungen stets völlig ignorierte ein Haus zu besitzen. Auch wenn der Gedanke daran schon einen Schwindelanfall auslöste hatte ich doch alles was ich brauchte: Bewegung, Ablenkung und Erfolg. Ich erledigte den ganzen Schriftkram und baute dann ein ganzes Jahr jeden Tag an unserem neuen Haus. Mit der Arbeit kam wieder Vertrauen, mit dem Vertrauen kam die Kraft und mit der Kraft ging die Angst. Unterbewusstsein und Körper verschmolzen wieder miteinander und ich bin froh wieder leben zu können.
Mir halfen keine Gespräche mit anderen, keine Arznei und kein Terapien. Ich musste in der Mitte durch, wie durch eine Schallmauer: Sieg oder Sibirien. Das Leben wird so unerträglich das es bald nicht mehr lebenswert erscheint. Und was hat man dann noch zu verlieren? Die Probleme waren selbst gemacht und nur selbst konnte ich sie los werden.
Würdet Sie mit jemanden der sie ohne Grund einsperren möchte über den Sinn dieser Maßnahme diskutieren und versuchen ihm gut zuzureden? Oder würden Sie eher, wenn Ihre Geduld am Ende ist, sich erhebt und demjenigen Ihre Meinung ins Gesicht schreien? Zumal sie die optimale Position inne haben: Was könne Sie schon verlieren. Das Leben? Ha, was wollen Sie mit einem Auto ohne Benzin?
24.02.2004 15:45 • • 28.05.2021 #1