Hallo
ich bin gerade zufällig auf dieses Forum gestoßen und möchte versuchen als Osteopath einige Sachen deutlicher zu machen.
Immer wieder begegnen wir der Frage Hilft Osteopathie bei Krankheit xy?
Jeder von uns unterliegt ständig sowohl physischen (z.B. körperliche Arbeit...) als auch psychischen (Stress bei der Arbeit, Existenzsorgen, Liebeskummer...) Kräften, gegen die der Körper angehen muss, die er kompensieren muss.
Kompensation bedeutet alles im Gleichgewicht zu halten und trotz potenziell krankmachenden Faktoren gesund zu bleiben.
Osteopathie ist keine Therapiemethode, mit der man konkrete Krankheitsbilder behandelt sondern den Körper in all seinen Funktionen möglichst optimiert, sodass über seine Selbstheilungskräfte dieses Gleichgewicht besser wieder hergestellt werden kann.
Die Heilung übernimmt also der Körper selbst, der Osteopath versucht über seine Therapie nur die Möglichkeit dazu wiederherzustellen.
Ein schönes Beispiel ist eine Studie, die in den USA gemacht wurde, mit der Fragestellung Hilft Osteopathie bei Morbus Parkinson? Es handelt sich um eine Krankheit, die als unheilbar gilt.
Das Ergebnis der Studie war trotz allem ein positives, die Symptome der Patienten konnten verbessert werden, die Lebensqualität gesteigert. Behandelt wurde nicht die Krankheit sondern der Körper in seiner Gesamtheit.
Funktioniert ein Körper optimal, kann er auch mit einer unheilbaren Krankheit besser umgehen.
Alle Symptome (Schmerzen, Blockaden, Entzündungen, Angstzustände...), die nicht durch ein konkretes Trauma (man knickt mit dem Fuß um, der Fuß tut weh) ausgelöst sind haben meiner Meinung nach immer mehr als nur einen Grund.
Die Summe von vielen Faktoren führt letztendlich dazu, z.B. einen Rückenschmerz auszulösen. Sicherlich ist dann eine bestimmte Sache, wie z.B. lange am Schreibtisch sitzen der Auslöser, wenn dies jedoch der Grund wäre, müssten alle die viel am Schreibtisch sitzen Rückenschmerzen bekommen. Dies ist sicher nicht der Fall.
Somit kann eine psychische Störung, auch wenn sie nicht auf körperlicher Ebene entstanden ist, therapeutisch unterstützt werden, indem man auf körperlicher Ebene alles frei macht.
Ganz klar ist allerdings, dass die Osteopathie nicht die primäre Therapieform für psychische Krankheitsbilder ist und ich würde niemals von mir behaupten Angstzustände behandeln zu können! Das wäre unseriös!
Ein großes Missverständnis ist, dass Osteopathen nur einrenken.
Bei den Einrenkmethoden handelt es sich um die Chiropraktik, die zwar auch zum osteopathischen Handwerk zählt, jedoch nur einen kleinen Teil des Ganzen ausmacht.
Wenn ein Wirbel recht frisch blockiert ist, durch z.B. eine plötzliche, schnelle Bewegung, dann kann man eine solche Technik anwenden, nicht jedoch bei solchen, die schon seit Monaten oder Jahren bestehen. Hier würde als Mobilisationstechnik eine weichere Methode angewandt werden (Muscle Energy Techniken, Jones-Techniken, Sutherland-Techniken, General Osteopathic Treatement (GOT)...) da sich durch das lange Bestehen Muskeln, Bänder und Gelenkkapsel schon entsprechend verkürzt haben und nicht mit einem Ruck wieder in ihren alten Zustand gebracht werden können.
Eine Wirbelblockade hat i.d.R. auch einen Grund. Diesen gilt es aufzufinden und zu beheben, sonst blockiert der Wirbel immer wieder. Ein guter Osteopath sollte in der Lage sein dies herauszufinden. Der falsche Weg wäre den Wirbel immer wieder freizuknacken.
Das hieße im Falle von Lesley, dass die Blockaden in der Wirbelsäule und dem scheinbar dadurch bedingten Stechen in der Herzgegend, zumindest nicht nur dort behandelt werden sollten sondern mit der Gesamtfunktion des Körpers in Verbindung gebracht und behandelt werden muss.
Der Begriff Osteopathie ist tatsächlich nicht die beste Wahl für dieses Therapieverfahren.
Wie Christina schon richtig bemerkt steht Osteopathie als Oberbegriff für diverse Knochenkrankheiten.
Osteon ist der Knochen, Pathos das Leiden, die Krankheit.
Es gilt allerdings ganz klar zu unterscheiden zwischen diesem Begriff aus der Medizin und dem therapeutischen Berufsbild.
Der Begründer der Osteopathie, Dr. A. T. Still, hat Ende des 19. Jh. festgestellt, dass er über Osteon dem Knochen auf Pathos die Krankheit Einfluss nehmen kann.
Das heißt, indem er die Mobilität aller Knochen wieder hergestellt hatte, konnte der Körper über seine Selbstheilungskräfte eine Krankheit wieder besser bewältigen.
Daher nannte er sein Therapiekonzept Osteopathie. Dies war lange bevor der medizinische Begriff der Knochenleiden begründet war.
Ich kann Lesley nur empfehlen zu einem Osteopathen zu gehen und sich auch auf körperlicher Ebene behandeln zu lassen. Es ist allerdings nicht einfach einen guten Osteopathen zu finden da es sich nicht um einen geschützten Begriff handelt und sich leider sehr viele Ärzte, Heilpraktier, Physiotherapeuten und andere mit dem Begriff schmücken und dann vielleicht nichts weiter machen als z.B. Einrenken.
Die osteopathische Ausbildung dauert zwischen 4 und 6 Jahren, je nach Schule.
Man sollte sich in jedem Fall erkundigen wo die Ausbildung gemacht wurde und wie lange sie gedauert hat.
Über den Verband der Osteopathen Deutschlands kann man sich erkundigen. Es gibt eine Therapeutenliste, nach Postleitzahlen geordnet. Hier sind nur Osteopathen gelistet, die eine fundierte mehrjährige Ausbildung gemacht haben.
Ich hoffe ich konnte hiermit einen kleinen Beitrag zur Aufklärung leisten und wünsche Lesley viel Erfolg bei der Behandlung ihrer Angstzustände.
Liebe Grüße und noch ein schönes Wochenende,
Sven