Liebe HaZelGreY,
Du bist ganz sicher nicht alleine damit !
Ich kann sehr gut nachempfinden, wie es Dir geht, und eine Lösung dafür habe ich auch noch nicht, ich stecke auch schon seit Jahren in Therapie und frage mich manchmal, wohin das alles führen soll, aber ein paar Dinge habe ich inzwischen für mich verstanden, keine Ahnung, ob der eine oder andere Gedanke vielleicht hilfreich für Dich sein könnte:
Im Wesentlichen kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen, die einzig wirklich gangbare Möglichkeit ist, einfach immer wieder aufzustehen, egal, wie oft man hinfällt.
Zitat von HaZelGreY: Und das zu akzeptieren damit tu ich mir nach der langen Zeit wirklich sehr schwer.
Leider ist das aber der einzige Weg. Es hilft an dieser Stelle nur radikale Akzeptanz. Ohne radikale Akzeptanz geht es nicht. Das heißt aber nicht, dass es einem nicht einmal richtig schlecht gehen darf, es darf (und sollte sogar) diese Tage geben (die sind auch wichtig für den Heilungsprozess), an denen auch die Trauer über die gesundheitliche Situation mal Raum kriegen darf.
Auch diese Trauer möchte gefühlt werden, ansonsten schickt sie uns fleißig Symptome über Symptome.
Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, keinen einzigen Tag symptomfrei zu sein. Ich habe diverse psychische Diagnosen, auch welche von denen, die als nicht heilbar gelten, und zusätzlich Multiple Sklerose. Ich habe also jeden Tag vor Augen, was alles in meiner Psyche und in meinem Körper nicht stimmt, und die Prognose ist eher so, dass sich meine Situation Schritt für Schritt weiter verschlechtern wird.
Ich war auch schon an diesem Punkt, an dem ich mich gefragt habe, wofür ich eigentlich noch kämpfe.
Zum Glück habe ich es bislang geschafft, mich immer wieder aufzurappeln, egal, wie besch*** die Situation gerade ist. Ich habe mir angewöhnt, mich auf keinen Fall mit anderen Menschen zu vergleichen. Es ist zum Beispiel so, dass ich immer wieder in stationäre Behandlung muss und da ständig auf Patienten treffe, die alle viel schneller als ich Fortschritte machen, mit denen die Therapeuten super zufrieden sind, und ich kann immer nur Mäuseschritte machen, und ganz oft geht es nach 3 Schritten vorwärts erstmal wieder 5 Schritte zurück.
Aber ich habe für mich akzeptiert, dass das halt nunmal meine Geschwindigkeit ist. Es gibt viele Therapeuten, die nicht mit mir arbeiten können/wollen/dürfen, aber es gibt dazwischen auch immer welche, mit denen es geht. Die mich verstehen, die mir klarmachen, dass es an der Schwere meiner Erkrankung liegt, dass ich nicht so schnell kann wie die anderen Patienten. Und dann schöpfe ich wieder Mut.
Ich habe immer wieder besch*** Therapiestunden, in denen ich denke, dass ich es einfach nie begreifen werde, aber es gibt dazwischen auch welche, in denen ich merke, dass ich Fortschritte mache.
Diese Fortschritte sind für andere Menschen vielleicht nicht der Rede wert, aber für mich sind sie viel wert.
Ich kann meine psychischen Zustand verbessern, zwar nur Schritt für Schritt und in meinem Tempo, aber es geht. Und inzwischen lasse ich mir das auch von anderen Menschen nicht mehr schlechtreden. Natürlich gibt es auch da Tage, an denen ich das nicht so gut wegstecken kann, wenn z.B. ein Gutachter mich als zu krank für Therapie einstuft und deswegen denkt, ich sei der Behandlung nicht wert, weil es eh nicht bringe und keine ausreichenden Fortschritte zu erwarten seien, an solchen Tagen geht es mir auch mal länger dreckig, aber auch das geht irgendwann vorbei und es geht irgendwie weiter.
So langsam es vielleicht auch geht, und auch wenn Heilung oder Symptomfreiheit nicht zu erreichen sein werden, so gibt es doch Verbesserungen und Fortschritte zu erzielen, und für die lohnt es sich zu kämpfen.
An schlechten Tage sehe ich auch nur das Danke und das Schlechte, aber es gelingt mir inzwischen schon besser, auch die positiven Momente und Aspekte zu sehen und wahrzunehmen und einfach als guten Moment abzuspeichern, völlig egal, was morgen kommt. Diesen positiven Moment hat es gegeben und den kann mir keiner wegnehmen. Und so sammele ich diese positiven Momente Stück für Stück, nicht nur die negativen, und fordere mich immer dazu auf, alle Aspekte einer Sache zu sehen und mir diese alles ist schlecht-Gedanken nicht mehr so zu erlauben.
Es ist eine Übungssache, fast wie Sport. Man kann es trainieren.
Zitat von HaZelGreY: Ich lasse sie gewinnen und fühle mich ausgeliefert
Und dann passiert auch das nicht mehr so häufig. Man nimmt den Symptomen so die Macht und schafft es Stück für Stück immer besser, selber die Oberhand zu behalten.
Man braucht einen eisernen Willen, am Ball zu bleiben, weder aufzugeben noch darauf hoffen, dass ein anderer Mensch einen retten kann, das kann man nur selber.
Und so versuche ich, mich Schritt für Schritt aus dem Sumpf herauszuarbeiten. Und das auch inklusive der Tage, an denen nichts geht, dafür verurteile ich mich nicht mehr so harsch, sondern akzeptiere sie als notwendigen Teil des Prozesses, zumindest versuche ich das (klappt natürlich auch nicht immer ).
Das Wichtige ist nur, immer wieder aufzustehen. Das Hinfallen ist nicht das Problem, das Liegenbleiben ist es. Egal, wie oft man hinfällt, es kann trotzdem besser werden, solange man immer wieder aufsteht. Dann kann es besser werden!
Ich wünsche Dir alles Gute und ganz viel Kraft!
LG Silver