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Hallo an Alle,
Ich habe heute den ganzen Tag hier im Forum gestöbert und finde den Umgang miteinander toll. Das hat mich dazu gebracht mich anzumelden.
Ich bin (noch) 44 Jahre alt und hatte mit ca 17 Jahren meine erste Panikattacke.
Sie hat mich, wie man so schön sagt, aus heiterem Himmel erwischt und ich wusste erstmal nicht was mit mir los ist.
Darüber reden wollte ich schon gar nicht, da diese Attacke aber der Auftakt von vielen weiteren war, blieb das von meiner Mutter natürlich nicht unentdeckt.
Sie hat ihr Leben lang mit einer Angststörung zu tun gehabt, hat viele Jahre AD genommen und ihre Angst, so weit möglich, vor uns Kindern verborgen.
Wirklich genutzt hat mir ihre Erfahrung nicht, sie sagte ich soll mit dem Hausarzt darüber reden, was ich auch tat.
Er hat mir Tropfen verschrieben (weiß den Namen nicht mehr) die ich aber sehr unangenehm fand, meine Zunge fühlte sich davon immer taub an. Nachdem ich sie genommen hatte
Trigger

war die Angst geboren meine Zunge zu verschlucken


Ich hatte in den kommenden Jahren immer wieder mit Panikattacken zu tun, mal mehr, mal weniger. Aber sie waren da.
Ich denke mein eher fröhliches Gemüt und das Leben genießen zu wollen hat dazu geführt das ich irgendwie geschafft habe damit zu Leben.
Nach ein paar Jahren gehörten die irgendwie dazu und ich wollte auch mit niemanden darüber reden. Außer meine Ma wusste es niemand und aus Scham hab ich es auch im Freundeskreis nicht Theamatisiert.
Wenn ich schlechte Tage hatte hab ich einfach einen Magen-Darm Infekt als Ausrede benutzt, so ging ich Diskussionen aus dem Weg.
Auch im Arbeitsalltag galt ich daher als jemand mit Wiederkehrender Diarrhoe
Alles in allem hab ich gelernt damit zu Leben.

Eine unschöne Beziehung und ständige Geldprobleme führten vor ca 10 Jahren zu einem erhöhtem Stresslevel. Eines Tages erwischte mich eine Panikattacke bei Radfahren auf dem Weg zur Arbeit.
Trigger

Ich wurde Kurzatmig was mich schnell in eine Hyperventilation brachte


Mich trennten ca 2 km von zu Hause in die eine Richtung, und 2km von meinen Eltern in die andere.
Ich habe mich mit Mühe und Not zu meinen Eltern geschleppt und bin da zusammengebrochen.

Etwa 4 Tage lang lag ich dort auf der Couch, hab kaum noch gegessen, mein Job war mir egal, meine Beziehung auch.
Da mir klar war das es so nicht weiter ging hab ich erstmal mit meinem AG gesprochen. Sie war sehr Verständnisvoll und hat mich erstmal beurlaubt um meine Sachen zu regeln.
Ich hab mir eine eigene Wohnung gesucht und meinen Partner zum Teufel gejagd.
Die ersten Monate hab ich mir vorgemacht das alles besser wird und ich alleine besser klar komme.
Ich ging arbeiten (mit Panikattacken im Gepäck) und hab mich voll auf mich konzentriert.

Dann eines Morgens wollte ich zur Arbeit, öffne die Tür und mir blieb einfach die Luft weg.
Es war für mich unmöglich zur Arbeit zu fahren. Im Laufe des Tages ging es mir besser und ich hab das als kleinen Rückschlag gesehen.
In dieser Zeit hab ich meinen jetzigen Ehemann kennengelernt.
Eine glückliche Fügung denn ich glaube kein anderer Mann hätte das mitgemacht was er dann, so kurz nach dem Kennenlernen mit mir durchgestanden hat.

Es kam der Tag wo ich meine Wohnung nicht mehr verlassen konnte.
Dieser Zustand sollte ca 1 Jahr andauern. Inklusive Jobverlust.

Ich wohne eher ländlich und alle Versuche einen Therapieplatz zu bekommen verliefen ins Leere.
Nach 1 Jahr wollte ich so nicht weitermachen, mein Mann (damals noch nicht) hat jeden Mini-Schritt mit mir mitgemacht damit ich wieder am Leben teilnehmen kann.

Ein Schritt vor die Tür, welcher für mich belastend war wie eine Weltreise. Dann eine Autofahrt, der erste Besuch in einem Supermarkt. Unglaublich wie ich so etwas triviales als unglaublichen Erfolg angesehen hab.

Ich habe angefangen Bewerbungen zu schreiben, war beim potentiellen zukünftigen AG ehrlich und hab erzählt was mit mir los ist.
Allen Widrigkeiten zum Trotz hab ich einen tollen AG gefunden, tolle Kollegen inklusive.
Es ging wieder bergauf.

Mein Partner hat mich geheiratet, alles lief prima. Alles ohne je einen Therapeuten gesprochen zu haben.

Aus heutiger Sicht nicht die beste Lösung, denn egal wie ich funktionierte ich tat eben nur das. Ich Funktionierte.
Oft auch nur mit Vermeidungsverhalten wie mir mein Therapeut, den ich jetzt seit 6 Wochen habe, klarmacht.

Vor 3 Jahren erkrankte mein Stiefvater an Krebs, er starb 5 Monate nach der Diagnose.
Meine Ma hatte eine Demenz, sie war nicht mehr in der Lage alleine zu leben.
Sie zog erst zu uns, nach 6 Monaten war ich fix und fertig und meine Schwester übernahm die Pflege.
Weitere 7 Monate später stürzte meine Mom schwer und wir haben uns entschieden das keiner mehr diese Verantwortung tragen kann und suchten ihr einen Pflegeplatz in einem Heim.
Alles schon Dinge die mich stark belastet haben, aber es ging irgendwie weiter. Ich war auch stark für sie, um sie zu besuchen, aufzumuntern.

Dann kam der Corona Mist und wir durften nicht mehr zu ihr. Auch wenn es schwer war, ich konnte dadurch einmal aufatmen.

Ich hatte nicht das Gefühl jede freie Minute für sie da sein zu müssen, durfte ich ja eh nicht.
Ende letzten Jahres wurde ihr Zustand zusehends schlechter, sie infizierte sich mit Corona, 3 Wochen später (nach Zimmerisolation) dann das aufatmen das sie es überstanden hat.
Die Isolation hat sie aber zum aufgeben gebracht und im Februar starb sie. Allein. Wir durften nicht mehr zu ihr.
Das letzte mal gesehen hatte ich sie im Dezember.

Das war wohl einfach zuviel für mich und die Panikattacken kamen mit voller Wucht zurück.

Diesmal wusste ich das ich es alleine nicht schaffen werde.
Eine Therapie ist hier vor Ort unmöglich zu bekommen, ich war froh als meine KK mir ein Programm angeboten hat.
Jetzt habe ich 1x wöchentlich online einen Therapeuten und lerne die Verhaltenstherapie kennen.

Ich hoffe sehr das mir das hilft endlich aus diesem Kreislauf auszubrechen, ich habe schon soviel Lebenszeit an die Angst verloren.

Sorry für den langen Text, irgenwie finde ich kein Ende

Für jeden der es bis hierhin durchgehalten hat: Danke fürs lesen und einen wundervollen Abend gewünscht

21.07.2021 18:01 • 21.07.2021 x 4 #1


3 Antworten ↓


Hallo und willkommen @Watermelon

Zitat von Watermelon:
Ich habe heute den ganzen Tag hier im Forum gestöbert und finde den Umgang miteinander toll. Das hat mich dazu gebracht mich anzumelden.


Ja, das war auch der Grund, weshalb ich mich vor eineinhalb Wochen hier angemeldet hab - und ich habe es keinen Moment bereut. Die Leute sind echt toll hier!

Zitat von Watermelon:
Ich hoffe sehr das mir das hilft endlich aus diesem Kreislauf auszubrechen, ich habe schon soviel Lebenszeit an die Angst verloren.


Geht mir mir meinen 45 Jahren auch so. Die Hälfte meines Lebens ist weg, und ich habe den festen Vorsatz getroffen, nicht auch noch die anderen Hälfte zu verlieren.

Zitat von Watermelon:
Sorry für den langen Text, irgenwie finde ich kein Ende


Ja, wir könnten wahrscheinlich ein ganzes Buch über das schreiben, was uns widerfahren ist.

Zitat von Watermelon:
Für jeden der es bis hierhin durchgehalten hat: Danke fürs lesen und einen wundervollen Abend gewünscht


Dir auch und viel Erfolg!

A


Meine Angst Geschichte - eigene Erlebnisse

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Dr. Christina Wiesemann
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