Ich bin neu hier und einfach nur froh, dass ich mich mit jemandem austauschen kann, der dasselbe mitmacht. Sicher habe ich auch tolle Freunde zum Reden, aber a) sitzen die ja nicht im selben Boot und b) will man ja nicht, dass das Umfeld schlecht vom Partner denkt.
Ich muss etwas weiter ausholen, ich hoffe, das ist okay.
Ich bin Mitte 30, verheiratet und wohne mit meinem Mann und unseren Katzen zusammen.
Wir haben uns vor einigen Jahren kennengelernt und kamen recht schnell zusammen. Er war damals noch im Studium, aber fast fertig. Wir haben uns von Anfang an super verstanden, weil wir viel gemeinsam haben, haben viel geredet und gelacht. Er ist hochbegabt, hat ein wahnsinniges Allgemeinwissen und vielseitig interessiert.
Allerdings war er schon damals ein ziemliches Nervenbündel. Manchmal musste er bei mir übernachten, obwohl es anders ausgemacht war, weil er es nicht fertiggebracht hatte, in den Zug zu steigen (wir hatten eine Fernbeziehung). Oder er kriegte im Einkaufszentrum eine Panikattacke, weil er fest davon überzeugt war, dass in dem Stück Schoki, was er probiert hatte, Erdnüsse waren und er doch dagegen allergisch ist. Menschenmengen gingen auch nicht. Er hat ständig rote Flecken gehabt und so ein Mittel von Fenistil getrunken. Oder er wälzte sich in schlimmsten Migränekrämpfen, nahm aber trotzdem nur eine (!) Paracetamol, und irgendwann ging es dann besser, obwohl Paracetamol laut diversen Apothekern bei Erwachsenen in dieser Dosis effektiv nur ein Placebo ist. Mich hat das damals wahnsinnig gemacht, weil ich damit total überfordert war und er in seiner Angst oft sehr undankbar und beleidigend war. Oft dachte ich auch einfach, er spielt das jetzt, um Mitleid und Aufmerksamkeit zu bekommen, und sowas kann ich auf den Tod nicht leiden. Auch ist er sehr prefektionistisch und wird schnell wütend, wenn irgendjemand einen (für ihn unverständlichen) Fehler macht, auch dann, wenn dieser total nichtig ist und keinerlei Konsequenzen hat (z.B. an einer für ihn einfachen Stelle in einem Videospiel sterben).
Jedes Wochenende artete früher oder später in Stress und Streit aus, und da es sich nicht besserte, weil er ja auch nichts dagegen tat, habe ich die Beziehung nach knappt einem Jahr beendet. Einfach, weil ich nicht mehr konnte. Ich hatte einen anstrengend Job, meinen Haushalt und musste alles alleine stemmen. Da hatte ich einfach nicht die Kraft, mich auch noch um ein aus meiner, zugegebener Weise wenig netten Sicht quengeliges Kleinkind zu kümmern (zumal ich keine Kinder will und kein mütterlicher Typ bin, haha).
Nach knapp zwei Jahren kamen wir aber wieder zusammen. Er hatte seitdem wirklich super an sich gearbeitet. Er hatte festgestellt, dass er doch keine Nuss-Allergie hat (nur gegen Fisch/Weichtiere), brauchte kein Fenistil mehr, hatte das Studium beendet und einen Job und generell sein Leben auf die Kette bekommen. Das hat mir sehr imponiert, weil er das ohne professionelle Hilfe geschafft hatte. Wir sind zusammengezogen, haben geheiratet und generell lief es okay. Er ist zwar immer noch schnell beleidigend und bockig, wenn er nicht im Mittelpunkt steht. Er wird auch schnell wütend und schreit rum, nennt mich dumm oder behindert oder wirft mit Sachen (nicht nach mir!). Ich versuche, vieles nicht persönlich zu nehmen und mir trotzdem Zeit für mich zu gönnen. Muss da aber selbst noch einiges verbessern.
Seit ein paar Monaten, unabhängig von Corona, geht es aber wieder rapide bergab. Auf der Arbeit läuft es nicht so gut, weil er aber auf die Hilfe diverser Abteilungen angewiesen ist, kann er alleine nichts dagegen tun. Sein Job ist unbefristet und absolut sicher, wir haben dicke finanzielle Rücklagen und jeder sagt ihm, dass er einen fantastischen Job macht. Trotzdem hat er jeden Tag Angst, dass etwas schief geht und dann was passiert. Was genau, weiß er auch nicht. Ständig überprüft er seinen Puls oder seine Atmung und hat das Gefühl, damit stimme etwas nicht, was dafür sorgt, dass beides beschleunigt wird und, na ja, Teufelskreis.
Auch Kleinigkeiten werden wieder schlimmer. Letztes Jahr ging er mit mir auf rappelvolle Messen oder flog mit mir in den Urlaub. Jetzt kriegt er schon wieder Panik, wenn er alleine Bus fahren soll oder wenn es im Supermarkt mal etwas voller ist. Er schnauzt mich dann immer an, entweder, weil ich ihn in Ruhe lassen oder nicht alleine lassen soll (ich tue immer das Falsche).
In den letzten Wochen musste ich zweimal den Krankenwagen rufen. Einmal wegen einem vielleicht allergischen Schock und einmal wegen Schmerzen am Herzen. Beide Male konnten die Ärzte ein bisschen was feststellen, sagten aber auch, dass er sich da reinsteigert. Wenn er sich beruhigt hat, gibt er das ja selber zu. Klar, besser einmal zu viel als zu wenig, aber mich belastet das natürlich auch, vor allem, wenn ja doch wieder nix war. Ich fühle mich dann schlecht, weil ich denke super, und wieder blamiert und den Abend verdorben für nix und wieder nix, denn als seine Frau sollte ich nicht so denken, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich bin so erzogen worden, dass man, wenn man wirklich krank ist, sich schont und natürlich Hilfe bekommt, dass ein bisschen Hals- oder Kopfschmerzen aber kein Grund sind, zuhause zu bleiben oder zum Arzt zu gehen. Er dagegen durfte mit jedem Bauchweh zuhause bleiben und wurde stark bemuttert und darin bestärkt. Er ärgert sich selber darüber, dass seine Mutter da nicht gegengesteuert hat, erwartet aber andererseits von mir die gleiche Bemutterung. Aber sorry, nein. Ich bin nicht seine Mutter und auch keine Hausfrau, deren Kinder ihr Lebensmittelpunkt sind. Ich liebe meinen Mann und wir haben richtig tolle Momente zusammen, aber manchmal wird es mir einfach nur zu viel. Weil ich stark sein muss für zwei und Probleme lösen soll, die ich nicht verstehe und für die ich auch keine Lösung habe.
Beim 2. Notarzteinsatz haben sie ihm zum Glück Beruhigungsmittel gegeben und ihm nahegelegt, sich nicht nur körperlich durchchecken zu lassen. Sieht er auch ein, aber ich bin mir sehr sicher, dass er wieder nicht zu einem Psychologen gehen wird. Er hat Angst, dass andere, vor allem ich, ihn für einen Versager halten. Tue ich nicht, im Gegenteil, ich bin z.B. super stolz darauf, wie klug er ist und was er alles weiß. Aber jede Art von Schwäche, jeder noch so kleine Fehler ist für ihn Versagen. Und dann hat er natürlich Angst, dass ich ihn wieder verlasse, wenn er wieder so starke Probleme hat. Hab ich nicht vor, kann aber seine Angst natürlich nachvollziehen.
Puh. Sorry, ist länger geworden als ich dachte, aber musste mal raus.
Was kann ich tun, um die Balance zwischen Helfen und Selbstliebe zu finden? Ich fühle mich immer egoistisch, wenn ich an mich denke, rege mich aber andersrum über seinen Egoismus auf, wenn ich nur an ihn denke.
Wie kann ich ihn unterstützen, ihn ermutigen, ohne ihm zu viel/wenig zuzumuten?
Heute wollte er zB zu Freunden (20min Fußweg), aber nicht alleine gehen, obwohl ich schon vor Tagen gesagt habe, dass ich dieses WE nirgendwo hin gehe. Am Ende bin ich die halbe Strecke mitgegangen und hab mich dabei gefühlt wie Mutti, die ihrem Jungen den Schulweg beibringt. Ist die halbe Strecke gut? Hätte ich ihn ganz alleine gehen lassen oder ihm den Besuch lieber ausreden sollen?
Danke vorab für eure Hilfe 3
28.06.2020 17:42 • • 13.10.2020 #1