Grundsätzlich kann man nach einer bedeutungsvollen Tachykardie bei Organisch Herzgesunden nichts im Krankenhaus feststellen, wenn diese bereits vorbei ist. Nur beim WPW-Syndrom findet man eine Deltawelle im Ruhe-EKG, bei allen anderen Tachykardien wird man nichts finden, wenn sie schon vorbei sind, selbst wenn sie lebensgefährlich gewesen wären.
Sofern die Tachykardie nicht direkt aufgezeichnet wird, ist jede Aussage drüber was es ist, ob es harmlos ist oder nicht, pure Spekulation.
Es gibt aber eine relativ sichere Unterscheidung, die man selbst vornehmen kann: Psychisch beschleunigter Herzschlag (Sinustachykardie) steigert sich langsam und hört auch langsam auf, es gibt einen langsamen Anstieg und einen langsamen Abfall.
Bei medizinisch bedeutungsvollen Tarchykardien startet es gewöhnlich ganz plötzlich, z.B von Puls 75 auf 150 und genau so abrupt hört es auch wieder auf, von 150 auf 90.
Oder ein anderes Beispiel: Ihr redet mit jemandem den ihr nicht mögt, ihr regt euch auf, ihr spürt dass ihr einen schnellen Herzschlag habt, vielleicht 120 und erst Stunden später wird er langsam wieder niedriger. Das ist so ein typischer Fall von Sinustachykardie durch Stress.
Das Gegenbeispiel: Ihr sitzt abends auf der Couch, guckt Fernsehen und plötzlich schlägt euer Herz 140, es geht nicht weg, nach einigen Sekunden oder Minuten hört es aber ganz plötzlich von einer auf die andere Sekunde auf, ihr habt einen Puls von 95 und Angst. Das war dann eben nicht psychisch, sondern irgendwas anderes.
Bloß ohne Aufzeichnung wird man nie wissen, was. Kann alles sein: AVNRT, AVRT, WPW, AT, VT, z.B. alles wäre möglich.
Bei Ventrikulären Tachykardien kippt man in der Regel nach einigen Sekunden um und wird Ohnmächtig, es gibt aber auch Menschen, die sogar das länger aushalten und bei Bewusstsein bleiben.
Ein negatives Langzeit-EKG ist kein Beweis, das keine behandlungsbedürftige Tachykardie vorliegt, sofern im Zeitraum des EKGs kein Anfall stattgefunden hat.
Auch werden bei gesunden Menschen ohne angeborene Arrhythmien, weder Koffein, Stress, noch falsche Bewegungen, plötzliche, anfallsartige Tachykardien auslösen, das Problem ist weder der Stress, eine falsche Bewegung, noch Koffein oder Schokolade, sondern die angeborene Rhythmusstörung, die eben nur bei Kranken von diesen Triggern ausgelöst werden kann.
Den psychischen Schaden den man sich zufügt, indem man sich ständig selbst für die Arrythmien verantwortlich macht, ist extrem hoch.
In jungen Jahren wird die Fehldiagnose Panikattacke noch tolerabel sein, wenn man aber alt wird, das Herz schwächer ist, der Kreislauf nicht mehr so belastbar ist, drohen Ohnmacht und im Schlimmsten Fall der Tod, wenn die Tarchykardie nicht behandelt wird, ob nun durch Medikamente um die Frequenz zu senken, oder eben eine Ablation um sie dauerhaft zu beseitigen.
Beim WPW-Syndrom kann es leicht zum Tod kommen, wenn man im alter Vorhofflimmern entwickelt, denn dieses wird dann 1:1 auf die Herzkammer durch die zusätzliche Leitbahn übergeleitet und es kann so zu Kammerflimmern kommen.
Ich will hier keine Angst machen, aber ohne den Anfall direkt im EKG dokumentiert zu haben, darf man keine Entwarnung geben, das wäre total unverantwortlich. Sollte sich etwas finden, kann man das behandeln und die Lebensqualität ist wieder da, aber wenn jemand über Jahre trotz behandlungsbedürftiger Tachykardie eben NICHT behandelt wird, droht der Verlust des ganzen Lebensinhaltes, Angststörung, soziale Probleme, Arbeitslosigkeit und schlimmsten Fall eben irgendwann der Knall und der Krankenwagen.
Ich bin den ganzen Weg gegangen, von der Diagnose harmlosen Herzstolperns und Herzrasens, über die ersten Besuche in der Notaufnahme, dutzende Langzeit EKGs, dann ein Krankenhausaufenthalt wegen Vorhofflimmern, sinnlose Sitzungen bei 2 Psychologen, Besuch bei 5 Kardiologen, 2 Fachzentren, nun hatte ich endlich eine EPU + Ablation und eine feste, gesicherte Diagnose, nach 16 Jahren.
Bei mir war es eine Fokale Atriale Tachykardie im Rechten Vorhof, die eben auch in Vorhofflimmern degenerieren konnte. Sie wurde verödet.
Mein Tipp: Wenn dir kein Arzt mehr helfen will, fahr ins Krankenhaus wenn du einen Anfall hast, wenn du Glück hast bleibt er, bis sie EKG aufzeichnen können, meistens aber nicht. Hol dir ein Handy-EKG oder eine Pulsuhr mit Rhythmuserkennung, dokumentiere deine Rhythmusstörung selbst und zeige es einem Kardiologen oder im Krankenhaus. Manche Krankenhäuser geben auch tragbare Event-Recorder heraus, die du per Knopfdruck aktivieren kannst und so eine Dokumentation der Rhythmusstörung selbst vornehmen kannst.
08.06.2020 07:33 •
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