Anthana
lange habe ich überlegt, ob ich mich hier oder in einem anderen Forum anmelde, um Leuten mein Leid zu klagen, die sicherlich selbst genug um die Ohren haben, aber der Drang nach Aufmunterung und Hilfe hat gesiegt!
Erstmal zu mir, ich bin 24 Jahre alt, habe eigentlich ein wunderbares Leben, habe einen Job, einen tollen Partner und eine tolle Familie, keine Geldsorgen und auch sonst läuft mein Leben in geregelten Bahnen...wenn nicht diese massiven Verlustängste und daraus resultierenden Panikattacken wären.
Das Ganze hat schon ganz früh angefangen, eigentlich wollte ich damals schon nicht in den Kindergarten, weil das hieß ja, ich müsste mich von meiner Mutter trennen. Ich habe, laut Erzählungen, wohl immer einen Affenaufstand gemacht. Ebenso wie damals, als meine Mutter abends noch gearbeitet hat und ich dann mit meinem Papa allein zuhause war. Mein Papa ist einer der liebsten Menschen der Welt, wirklich, aber ich habe geschrien und mich gewunden, sobald meine Mutter mich allein gelassen hat. Das ging soweit, dass sie meinem Papa vorgeworfen hat, er würde mit mir irgendwas anstellen, sonst würde ich mich ja nicht so benehmen! Dann kam die Trennung meiner Eltern, ich war 7. Gut, wo ich lieber bleiben würde, die Frage gab es bei mir nicht, natürlich bei meiner Mama. Und ich wusste damals schon, meinem Papa hat das ganz doll wehgetan und allein der Gedanke daran könnte mich heute schon wieder weinen lassen. Ich wollte natürlich niemandem weh tun, wusste aber, ich hätte nie bei meinem Papa bleiben können (das ist übrigens selbst bis heute ganz schlimm, dass ich Heimweh kriege, sobald ich da bin, vermutlich einfach aus Gewohnheit).
Als dann die ersten Klassenfahrten anfingen, ihr könnt es euch ja sicherlich denken, bei mir ging gar nichts mehr. Krank mit 40 Grad Fieber, Erbrechen (übrigens bis heute noch mein häufigstes Paniksyndrom!) etc. Solange bis Mama mich abgeholt hat! Dann war alles super, ich war wieder quietschfidel. Bis es hieß, ich muss wieder weg (bspw. die 2 Wochenenden im Monat zu meinem Papa). Das wurde dann von 2 Nächten auf eine Nacht runtergestuft und irgendwann durfte ich sogar meinen Hund mitnehmen, weil ich sonst nicht schlafen konnte. Das gab mir wenigstens ein bisschen Zuhause-Gefühl. Auch übrigens so eine Sache. Ich liebe Tiere über alles. JEDES Tier. Bei mir darf nichts getötet werden, sonst kriege ich halbe Ausraster. Dann denke ich immer, dass das Tier vermutlich auch jemanden gehabt hat, der es lieb hatte (ob Mücken, Spinnen etc. so eine Familienstruktur haben?!). Ich fange dann auch einfach mal so an zu weinen, früher und heute immer noch gleichermaßen.
Meine Schulzeit verlief bis zur 7 Klasse problemlos. Klassenbeste, Klassensprecherin etc. Dann der Absturz. Wir sind umgezogen in die Stadt meines Papas, da meine Mutter meinte, es sei besser für mich, wenn wir uns vllt. näher sind, dann wäre die Entfernung ja nicht allzu problematisch. Pustekuchen, wurde natürlich nicht besser. Irgendwann durfte ich dann nach der Schule zu meiner Stiefmutter, bis meine Mama von der Arbeit wiederkam. Gut, viel Papa war das natürlich nicht, aber so gewöhnte ich mich zumindest an den Geruch des von mir verhassten Hauses (ja, ich bin da sehr empfindlich, noch heute, wenn ich den Duft des Waschmittels rieche, wird mir flau im Bauch wegen der Erinnerungen ((die ja wirklich nur aufgrund meiner Panik so schlimm ist)). Schule war der Horror, ich habe jeden Tag nur noch gelitten. Mobbing etc. Bilder von verbluteten Tieren auf meinem Tisch, Lehrer die darüber lachten, weil die Schüler genau wusten, wie sie mich fertig machen konnten. Zuhause immer dasselbe: Du musst stark sein, darfst denen nicht zeigen, dass dich das verletzt. Unmöglich, dafür war ich viel zu sensibel. Daraus resultierend, sitzen bleiben in der 11ten, Schulabbruch in der 12ten. Mittlerweile schon eine gescheiterte Therapie durch, die Verlustangst wurde nicht besser, zwischenzeitlich kam auch eine Angst vor Menschen hinzu. Ich konnte nicht einkaufen, kein Hobby ausüben, nichts.
Besser wurde das erst mit meinem Job. Ich arbeite tagtäglich mit vielen Menschen zusammen in einem Saisonbetrieb, sprich die Sommermonate voll Power, die Wintermonate frei. Könnte eigentlich alles so schön sein. Eine Ausbildung habe ich versucht, aber abgebrochen wegen Mobbing des Chefs. Dann erneut eine dreimonatige Qualifikation (nur schulisch mit Praxisteil) gemacht, die habe ich super abgeschlossen, da lief es auch mit den Kollegen (da diese bis auf eine Ausnahme) alle älter und reifer waren. Problem hierbei: Ich war den ganzen Tag unterwegs, teilweise hunderte Kilometer von zuhause weg. Bam. Notbremse. Jeden Tag mit 60g Cymbalta im Blut zur Arbeit. Heulkrämpfe auf der Toilette inklusive. Der Entschluss: Es geht so nicht weiter. Kündigung. Erleichterung.
Mittlerweile richten sich meine Verlustängste nicht mehr ausschließlich auf meine Mutter, auch mein Freund, mit dem ich seit 2 Jahren zusammen bin, muss da mit mir sehr kämpfen. Er arbeitet im Schichtdienst, jede Ankündigung der Nachtschicht löst bei mir Magendarmkrämpfe vom Feinsten aus. Ist er nicht da, sobald ich schlafen gehe, wird sich ins Bett geweint. An entspannte Arbeit ist an diesen Tagen nicht zu denken. Das Gefühl, den Tag nicht mit ihm verbringen zu können, sorgt bei mir für zittrige Hände und wiederholte Weinattacken. Auch wenn er für eine Nacht zu Freunden will, ich werde sofort angespannt, warte quasi nur darauf, einen Unfall in den Nachrichten zu hören. Sobald er sich gemeldet hat, dass er heil am Ort der Wahl angekommen ist, geht es mir ETWAS besser. Allerdings muss er das ständig tun. Bandprobe, Arbeit, Kumpel. Immer brauch das Frauchen eine Sms, dass alles gut ist. Mit meiner Mutter ist es zumindest schon soweit, dass wir uns ca. 3 Tage nicht beeinander melden müssen, manchmal schaffe ich sogar 5, bin dann aber sehr erleichtert, wenn es dann zum Kontakt kommt (ich könnte sie jeden Tag anrufen, aber ich will sie nicht damit nerven, wie ich meinen Freund damit nerve). Aber manchmal erwische ich mich dabei, wenn ich sie nicht erreichen kann, an ihrem Haus vorbeizufahren, nur um zu schauen, ob Licht brennt oder das Auto da steht. Nur um dann noch unberuhigter zu sein, wenn es nicht der Fall sein sollte.
Zur Arbeit muss ich noch dazu sagen, dass es da nach meinem letzten Job (der mit den hunderten Kilometern von zuhause) auch nicht mehr reibungslos verläuft. Manchmal kriege ich auch da unbegründet Panikattacken, weil ich auf einmal Angst bekomme, meinem Freund oder meinen Eltern könnte was zustoßen, ich hätte vllt. die Fenster der Wohnung nicht ganz zu gemacht und die Katzen hängen dazwischen, wenn ich wiederkomme. Auch bei jeder Sirene denke ich sofort an Brand in meiner Wohnung und dass die Katzen drin sind und keiner holt sie raus. Eine Nacht weg bleiben geht wegen der Katzen bei mir übrigens auch nicht, ich bin ganz unruhig, kriege schwitzige Hände, nur um dann vor Erleichterung zu weinen, weil zuhause doch alles okay ist und die Zwergnasen völlig entspannt auf dem Bett vor sich hinschlummern.
Therapien habe ich jetzt 2 durch, beide ohne sichtlichen Erfolg. Im Winter geht es in eine Tagesklinik, aber die Zeit bis zum Winter ist sehr lang und mit diesen Problemen raste ich irgendwann noch aus. Ich will endlich mal ein unbeschwertes Leben führen, Spaß haben dürfen, ohne mich dauernd verrückt zu machen.
Ihr Lieben, wenn ihr meinen Roman bis hierhin durchgehalten habt, danke schon mal dafür!
Vllt. steckt ja jemand in einer ähnlichen Situation, kann mir Rat geben oder einfach die tröstende Schulter anbieten, wenn die Panik mal wieder zu schlimm wird.
Eure Anthana
PS: Ich habe nicht chronologisch mein Leben aufgezählt, sondern einfach geschrieben, was mich gerade bedrückt und wo die Knackpunkte liegen. Sollten Unklarheiten bestehen, dann schreibe ich natürlich gern noch mehr dazu.
21.07.2015 09:47 • • 22.07.2015 #1