App im Playstore
Pfeil rechts
12

Ich Dreh grad so durch. Ich krieg die ganze Zeit Bauchkribbeln und Panik, als wär mir das vorher noch nie aufgefallen. Ich denk die ganze Zeit wie komisch das Leben überhaupt ist, dass eh alles gleich Vergangenheit ist und hinterfrage ständig alles. Fühle mich grad wieder so fehl am Platz
Ich hab riesige Angst, dass ich nie wieder unbeschwert leben kann…

15.03.2022 20:32 • 16.03.2022 x 1 #1


8 Antworten ↓


Ich habe das auch oft, geht aber wieder vorbei.

A


Immer Panik, wenn wir auffällt dass ich sterblich bin

x 3


Hallo @LuiseM
Was genau macht dir Angst? Das das Leben vorbei ist, was schon war? Also die Vergangenheit? Das es nie wieder kommt? Da könnte vielleicht eine Verlustangst dahinterstecken. Kannst du es genauer erläutern?
Liebe Grüße

@Gaulin ich kann es gar nicht genau beschreiben. Ich fühle mich so ausgeliefert und frage mich wozu ich alles erlebe, wenn es sowieso gleich wieder vergangen ist, was es für einen Sinn haben soll. Ob wirklich alles echt ist, fühle mich wie in einem blöden Film. Jedesmal wenn es abends ist bekomme ich Angst vor der Zeit, weil es so schnell vergeht und ich mich immer noch so fühle. Ich komme irgendwie momentan nicht auf das "hier und jetzt" klar, wenn man das so sagen kann.

@LuiseM ich verstehe. Solche Zustände habe ich auch immer wieder mal. Meist in oder nach Belastungen. Das geht wieder vorbei, zumindest war/ ist es bei mir so.
Versuche in solchen Denkweisen im Hier und Jetzt zu landen, indem du bewusst wahrnimmst wo du bist, wo du stehst, spüre deine Füße, wie sie den Boden berühren (es geht um die Standhaftigkeit und um die reale Gegenwart), laufe etwas um dich darauf zu fokussieren, dass du gerade jetzt selbst die Kontrolle darüber hast was du wo und wie tust. Entscheide ob du nach vorn, links, rechts oder zurück gehst und tue es. Analysiere genau was du tust. Es klingt vielleicht albern, aber wenn du solche Übungen öfters anwenden, hilft das ungemein. Versuche nicht in diesen Gedanken zu verharren und dich weiter reinzusteigern. Ansonsten akzeptiere, dass du solche Gedanken und Zustände manchmal hast und versuche sie nicht zu bewerten. Es ist nur der Moment, der Gedanke, nur im Kopf (keine Realität). Aber es ist völlig normal und ok solche Gefühle zu empfinden.
Zudem wenn es dir gut geht: Schreibe auf, was du gern tust oder tun würdest, Wünsche, Träume, Ziele, Hobbies, was tut dir gut. Was ist dein Sinn im Leben.
Wenn du dann wieder in diese schlechte Phase kommst, liest du dir das durch. Du weißt, das hast du geschrieben und es ist dein Sinn im Leben, das ist real.
Bist du in Therapie? Wie lange geht es dir schon so? Wie oft hast du diese Zustände?

@Gaulin danke für deine lieben Ratschläge. Ich werde versuchen es umzusetzen.
Als ich etwa 19 war habe ich mit Freunden einen *beep* geraucht und bekam einen extrem schlimmen Trip. Ich war in einer Art zeitschleife und dachte dann die Uhr läuft rückwärts und irgendwann dachte ich, dass ich tot und in der Hölle oder im Jenseits wär. In den Tagen danach ging es los mit Panikattacken, meine Gedanken kreisten ständig darum, was wohl nach dem Tod passiert und ich hatte auch dieses Gefühl fehl am Platz zu sein und stellte alles in Frage. Damals war ich bei einem Neurologen, der mir ein Medikament verschrieb (ich weiß leider nicht mehr, was genau es war) und grob geschätzt nach einem halben Jahr war ich wieder (fast) die Alte (das erlebte konnte ich natürlich nie vergessen).
Jetzt bin ich 36, habe in letzter Zeit ziemlich viel Stress gehabt, da ich nochmal eine Ausbildung gemacht habe und mein Abi nachholte. Ich habe zwei kleine Kinder einen Mann.
Ich weiß nicht, ob es einen konkreten Auslöser gab- ich habe den Stress im allgemeinen in Verdacht- aber, als ich den 3. Tag meines Praktikums im Altenheim hatte (3.2.), saß ich bei der Schichtübergabe mit den anderen Mitarbeitern im Raum und auf einmal überkam mich wieder (nach so vielen Jahren) dieses ekelhafte Gefühl in der Magengegend und ich bekam sofort Panik. Seitdem bin ich krank geschrieben, nehme Citalopram seit dem 8.2. 10mg bzw seit zwei Wochen 20mg. Ich habe schon den Eindruck, dass es sich leicht gebessert hat, doch meine Gedanken kreisen immer noch extrem viel.
Ich habe am 1.4. einen Termin bei einer Psychiaterin, von dem ich mir viel erhoffe.

So geht es mir auch oft, meist kommen diese Gedanken, wenn ich mich gerade hingelegt habe und eigentlich schlafen möchte. Zuerst denke ich mir dann Oh Gott, was ist, wenn ich nicht mehr aufwache? oder unterwegs was ist, wenn ich gleich umfalle? und dann geht das Gedankenkarussell los Warum lebe ich überhaupt, wenn ich eh sterben werde?
Wo ist eigentlich der Sinn?
Warum soll irgendwann alles vorbei sein, all das, was ich mir aufgebaut habe, ist es nicht total sinnlos?
Dann kriege ich Angst, weil ich dem Tod nicht entkommen kann, dass es irgendwann so sein wird, ich nichts dagegen tun kann, alleine der Gedanke Ja, irgendwann bin ich weg, löst jedesmal Panik aus.
Schlimm ist es auch, wenn ich meine Herzstolperer wieder deutlich am Tag spüre, ich kriege jedesmal Angst, denke mir, mein Leben hängt doch davon ab, bloß werden die Beschwerden dann nur noch schlimmer und die Panikattacken beginnen.

Aber, warum haben wir Angst?
Wir waren schonmal nicht da, was war da? Eigentlich nichts, oder? War es schlimm? Nein. Wenn wir gestorben sind, was passiert dann? Wir bekommen es nicht mit, ab da ist es für uns nicht mehr beängstigend, nicht mehr schlimm, wir wissen es nicht.
Klar, wir hängen an unserem Leben, die Vorstellung, dass wir irgendwann nicht mehr da sind, die ist traurig und unheimlich, wir wollen das nicht, weil wir leben wollen.
Aber ich denke immer wieder, dass wir dankbar sein sollten, dieses Geschenk (Leben) bekommen zu haben, dass wir dankbar sein sollten, wenn wir gesund sind, wenn wir leben dürfen, wir sollten unser Leben genießen, uns nicht mit dem Tod verrückt machen, das Leben ist sowieso schon viel zu kurz, wir sollten es ausnutzen, glücklich sein, an schöne Dinge denken, das tun, was uns glücklich macht. Warum sich so verrückt machen, wenn wir jetzt die Chance haben, unser Leben zu leben, warum die Zeit damit vergeuden.
Manchmal beruhigt mich auch der Glaube, dass nach dem Tod nicht alles vorbei ist, dass es irgendwie weitergeht, man zufrieden ist, ohne all die Probleme und all die Sorgen, die man jetzt hat, das alles schöner wird, dass man geliebte Menschen wiedersieht. Manche finden es albern, ja- aber ich finde den Gedanken einfach toll.
Ich versuche immer, mir all das zu denken, auch wenn es nicht immer klappt, leider.

Zitat von Steve90:
Aber, warum haben wir Angst?
Wir waren schonmal nicht da, was war da? Eigentlich nichts, oder? War es schlimm? Nein. Wenn wir gestorben sind, was passiert dann? Wir bekommen es nicht mit, ab da ist es für uns nicht mehr beängstigend, nicht mehr schlimm, wir wissen es nicht.
Klar, wir hängen an unserem Leben, die Vorstellung, dass wir irgendwann nicht mehr da sind, die ist traurig und unheimlich, wir wollen das nicht, weil wir leben wollen.

Diese Gegenfragen finde ich super. Das entmachtet auch die schlimmen Gedanken. Ich versuche mich auch mit dem Tod auseinander zu setzen um es nicht so furchtbar zu finden. Das Ungewisse macht eben Angst. Aber wenn es so sein sollte wissen wir doch eh nix mehr, also wir leiden nicht. Deshalb brauchen wir da eigentlich gar keine Angst davor haben. Es übersteigt nur unseren Horizont, es ist keine Sicherheit. Vom Prinzip her können wir vor alles Angst entwickeln, wenn uns eine Idee in den Kopf schießt und wir daran festhalten. Genau das ist nur das Problem. Nicht mehr und nicht weniger... Alles nur Gedanken. Zum Glück können wir gegen Gedanken etwas tun. Das ist super!

Endlich mal gute Beiträge zum Thema Angst vor dem Nicht-Sein...

Für mein Erleben (!) macht es glaube ich schon einen Unterschied, ob ich mich mit dem Sterben/Tod abfinde oder ständig damit Probleme habe. Die Frage ist nur: Ist denn die Angst vor dem Tod wirklich (!) unbegründet? Nur weil er unausweichlich ist, bedeutet das nicht, dass ich mir keine Gedanken darüber zu machen brauche.
Im Gegenteil: Gerade weil (!) er unausweichlich ist, muss ich mich damit beschäftigen. Das bedeutet nicht, ständig Angst davor zu haben, sondern zu überlegen, was diese Tatsache für mein Leben bedeutet.

Zitat von Steve90:
Aber, warum haben wir Angst?
Wir waren schonmal nicht da, was war da? Eigentlich nichts, oder? War es schlimm? Nein. Wenn wir gestorben sind, was passiert dann? Wir bekommen es nicht mit, ab da ist es für uns nicht mehr beängstigend, nicht mehr schlimm, wir wissen es nicht.


Hierzu habe ich an anderer Stelle mal einen (leider ziemlich langen ) Beitrag geschrieben. Ich füge ihn einfach mal ein...

I. Wer oder was stirbt / kann krank werden?

Also, ich glaube wir sind uns einig dass wir unsere Persönlichkeit in mindestens zwei Hauptkategorien einteilen können:

A. Das Materielle.
B. Das Mentale.

Beide Bereiche kann man wieder in unterschiedlichste Untergruppen einteilen, abhängig vom Blickwinkel:

A. Körperteile, Organe, Elemente, Zellen. Im weiteren (etwas feinstofflicheren) Sinn: Temperatur, Geruch, Alter, Typus, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe etc.

B. Denken, Fühlen, Emotionen, Wesen, Charakter, Wahrnehmung, Bewusstsein (Ich bin), Sprache, Unterbewusstsein, Träume, geistige Kräfte (Magie, Telepathie) etc.

Wie oben angekündigt möchten wir im Verlauf der folgenden Diskussion eine Antwort auf die Frage finden, wer bzw. was ich bin. Dies, um zu lernen, wer es denn ist, der lebt und stirbt.

Notwendig ergeben sich eventuell auch Erklärungen darüber, was denn Leben und Tod für das Subjekt existenziell überhaupt darstellen oder beinhalten.

Wissenschaftliche Aspekte können dabei herangezogen werden, aber das Hauptaugenmerk soll auf unserem individuellen Seinserleben liegen.

A. Körper (Form, Materie)

Was macht einen Menschen materiell aus? Wieviel kg brauche ich, um mich gut zu fühlen? Woraus besteht mein Körper?

Ist der Frühstücksbrei da ein Teil von mir oder erst, wenn ich ihn gegessen habe? Gehe ich ins Kino oder gehen da auch meine Hose, meine Socken, der Darm- und Blaseninhalt mit oder blieben letztere daheim auf'm Klo? Bin ich weniger nach einer Amputation des Armes? Bin ich mein Gehirn oder das Blut das es versorgt?

Egal ob man en gros oder im Detail hinschaut: Eine feste Grenze oder Ort ist nicht auszumachen.

Gehört mir vielleicht aber der Körper? Kann ich ihn steuern nach Belieben? Ihn gesund sein lassen nach Belieben? Kann ich seine Lebensdauer nach Belieben verlängern?

Ist es nicht eher so, dass der Körper alles andere als autonom existent ist und ich ihm offenbar ausgeliefert bin? Der Körper funktioniert weitgehend ohne jeglichen Einfluss seines Eigentümers.

Bin ich deswegen also frei, unabhängig vom Körper? Mitnichten...

Sind wir also im oder der Körper oder sind wir außerhalb oder beides oder weder-noch?

Wie beständig und unabhängig ist der Körper? Wie lange bleibt er physikalisch lebendig ohne Sauerstoff, Atmung, Blutdruck, Nahrung, Flüssigkeit, UV-Strahlung?
Je genauer wir den Körper betrachten umso klarer wird seine unpersönliche, vergängliche, abhängige Natur. Können wir uns auf ihn wirklich als unseren Körper verlassen?

Ich glaube nicht! Und deshalb zeugt es eher von natürlicher Weisheit, wenn wir uns zumindest unterschwellig stets Sorgen wegen dem Körper machen. Wir haben ihn einfach nicht in der Gewalt und das ängstigt uns.

Die o. g. Körpernatur ist der erste existenziell-erkennbare Grund für Angst, Unsicherheit, Sorge - kurz: für Leiden.

Wir leiden aufgrund des Körpers, der wir normalerweise (!) meinen, zu sein.

Das Leiden würde weniger, wenn wir schlicht die o. g. direkt erlebbaren Fakten sehen und akzeptieren.

(Wenn Ihr Euch nun fragt, was das alles mit dem Ich zu tun habt - keine Sorge, die Kontemplation über den Körper ist ein wichtiger Grundbaustein der Selbst-Erkenntnis).

B. Geist

Dem Geist wird sowohl in der Philosophie als auch in den Religionslehren deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteil. Ist ja auch sinnvoll, denn wenn ich über etwas rede, das Raum und Zeit überdauern soll, muss ich mich sehr bald vom Körper abwenden.

Ich möchte, um es gleich vorwegzunehmen, das unabhängig existierende Ich als Illusion, als entscheidenden Verblendungs- und Leidensfaktor bezeichnen. Nichts destoweniger ist diese Illusion aber vorhanden. Genau deshalb ist eine Diskussion über das Ich-Gefühl so schwierig.

Eine gute Möglichkeit besteht allerdings darin, unser Ich-Erleben aufzudröseln in seine (fünf) Bestandteile oder Faktoren:

1. Sinnesorgane und das jeweilige Bewusstsein:

Man kann mit den Augen etwas erblicken, aber zum Sehen gehört das (dahinterstehende) Sehbewusstsein.
Gleiches gilt für Hören, Riechen, Schmecken, Tasten (Berühren) und - Denken.
Zu einem Sinneskontakt der seinen Namen auch verdient, gehören also jeweils drei Komponenten: Objekt, Sinnesorgan, Sinnesbewusstsein.

2. Gefühle

Die Gefühle sind ein so entscheidender Faktor, dass wir ihn später eingehender betrachten müssen. Hier genügt vorerst die Feststellung, dass es zwei verschiedene Gefühle gibt: Angenehm und Unangenehm. Die Emotionen sind hier nicht einzuordnen, denn sie sind bereits Produkte der Ich-Illusion. Eng verbunden mit den beiden Gefühlen sind die jeweiligen automatischen und zumeist unbewussten Bewertungen (angenehmes Gefühl = gut / unangenehmes Gefühl = schlecht).

3. Wahrnehmung

Wahrnehmung bestimmt bzw. identifiziert alles, was über die Sinneskontakte in den Geist gelangt. Sie stellt Bezüge her, Kategorien und ist bereits durch die o.g. Bewertungen vorgefärbt! Ebenso wie die Gefühle ist die Wahrnehmung ein dualisierender Faktor - keine Instanz! Sie teilt ein (innen, außen, Ich, Welt, meins, gut, schlecht etc.) und grenzt aus. Sie be-stimmt: Erhebt die Stimme über die Dinge.

4. Gestaltungen

Gestaltungen sind der aktiv agierende und vor allem reagierende Faktor. Sie bilden Meinungen, Überzeugungen; schmieden Pläne, setzen Perspektiven. Hier entstehen vor allem auch die Grundtendenzen des Menschseins: Das Wollen und das Nicht-wollen.

5. Bewusstsein

Wie der Name schon sagt, ist dies die Bewusstheit, zu sein. Es ist jener Faktor, dem die meisten Menschen (auch Wissenschaftler und Philosophen, Mystiker und Schriftgelehrte) seit langem die Heimat oder gar feinstoffliche Substanz des Ichs, des Geistes, der Seele etc. zuordnen.
Ich bin! sagt sich das Bewusstsein, doch faktisch ist das Bewusstsein ein letztlich unpersönliches Ergebnis aus den anderen vier mentalen Faktoren und sogleich Treibstoff bzw. Baumaterial für das unaufhörliche Weiterzusammenwirken sämtlicher Faktoren. Das Bewusstsein ist der perpetuumobilisierende Aspekt des Daseins.

Das sind also die beiden Bereiche, in denen das Ich zu suchen wäre: Körper und Geist.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung dürfte auffallen, dass es aufgrund der ständigen Bewegung und Veränderung beider Bereiche sehr schwierig sein dürfte, ein eigenständiges, unabhängiges Ich, ein Selbst, eine Seele auszumachen.
Trotzdem kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass Ich-Erleben stattfindet!

Ich möchte darauf hinaus, dass es dieses Ich-Erleben ist, welches als Selbst missinterpretiert wird und somit unser menschliches Leid erschafft und endlos am Laufen hält.

Um nun ein Gespür für das Entstehen und Aufrechterhalten der Ich-Illusion zu bekommen, betrachten wir nun eingehender das Ineinander-Wirken und Gegenseitig-bedingen dieser Fünf Geistes-Faktoren:

1. Sinneskontakt
2. Gefühle
3. Wahrnehmung
4. Gestaltungen
5. Bewusstsein

Obwohl sie nummeriert sind, ist es kein chronologischer Ablauf der hier stattfindet. Wir neigen dazu, ein Schema oder eine Struktur erkennen zu wollen. Das ist hier schlechterdings unmöglich. Es ist vielmehr eine Art gleichzeitige Verflechtung oder besser Verfilzung. So wie beim Filzen aus einzelnen Fasern z. B. ein Tassenuntersetzer entsteht, wird aus den 5 Geistesfaktoren ein Ich, ein Selbst ge-wirkt (- von Wirken!).

(Wir dürfen hier nicht den typisch menschlichen Fehler machen, sofort zu fragen: Von wem denn gewirkt? Diese automatische Reaktion entspringt bereits wieder der Ich-Illusion (ich nenne sie ab hier mal der Einfachheit halber das Ego). Das Ego kann gar nicht anders, als von einem Zentrum - nämlich sich selbst - auszugehen).

Aufgrund dieser Verflechtung kann man seine Untersuchung an fast jedem beliebigen Faktor (1.- 5.) beginnen, denn wie bei einem Hologramm wird sofort die Wechselwirkung ersichtlich. Jeder Faktor wirkt auf die anderen ein und wird gleichzeitig von ihnen beeinflusst.

Da die Gefühle (2.) den Bereich darstellen, an dem bei der Geistesarbeit echte Veränderungen erreicht werden können (und müssen), fange ich mal dort an.

Im folgenden Beispiel werde ich nun immer die jeweiligen Faktoren nummerieren, damit es übersichtlich bleibt:

Irgendeine Behauptung eines Bekannten (1.) löst einen Gedanken (1.) bei uns mit aus. Denken (4.) und Gedanken (1.) sind zwei verschiedene Dinge - nichtsdestotrotz gehen sie Hand in Hand. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis der Geistesfunktion. Am Denkvorgang (4.) sind neben den Gedanken(objekten) (1.) idR immer auch Gefühle (2.) und damit verbundene Bewertungen (3.) beteiligt. Ebenso bilden und verändern sie die Wahrnehmung (3.) und das Bewusstsein (5.).

Das Bewusstsein (5.) beinhaltet u. a., dass sich irgendeine Sache (1.) so und so verhält - es wurde eine Meinung (3.) gebildet welche für richtig (3.) gilt. In Wirklichkeit ist aber diese Meinung rein subjektiv - sie hat mit der objektiven Lage der Dinge überhaupt nichts zu tun.

Obgleich der letzte Satz bestimmt einleuchtet, verhält sich das Bewusstsein (5.) völlig anders, da nämlich die Gefühle (2.) nun ihren großen Auftritt haben: Im Fall von gegensätzllichen Behauptungen anderer entstehen (automatisch und unbewusst) Gefühle (2.) unangenehmer Art (das Ego fühlt sich bedroht). Hingegen im Fall von bestätigenden Äußerungen von außen entstehen (ebenfalls automatisch und unbewusst) Gefühle (2.) angenehmer Art (das Ego fühlt sich bestätigt). Unmittelbar mit den Gefühlen (2.) entstehen die o. g. Bewertungen (3.).

Gefühl bedingt automatisch Bewertung!

Unsere (Für-)Wahrnehmung (3.) ist bereits von diesen Bewertungen (3.) gefärbt und somit alles andere als neutral oder objektiv. Das alles ist der passive und idR unbewusste Part des Vorgangs.

Der aktive Part sind - und jetzt kommt´s - oftmals sogar bewusste Reaktionen (4.). Diese Reaktionen (4.) können in dreierlei Gestalt erfolgen: Erneutes Denken, Rede und/oder Taten. Sie kann mehrgestaltig auftreten, aber niemals ohne Denken.

Wenn man nun ganz genau hinschaut, erkennt man dass diese Reaktionen (4.) eigentlich eine Art Kompensations- oder Zwangshandlung (4.) darstellt. Wir wollen (müssen!) (4.) uns dazu äußern. Das ist auch der Grund, weshalb viele Psychologen sagen dass wir unserer Meinung Luft machen sollen indem wir sowohl verbal als auch körperlich Klartext reden. Das Bewusstsein (5.) ist also eigentlich ständig getrieben! Getrieben von was? Von den Sinneseindrücken (1.) und der unbewussten, passiven, automatischen (internen) Beantwortung durch Gefühl (2.), Bewertung (3.) und Gestaltungen (4.). Und dies seit anfangslosen Zeiten, wie wir später noch besprechen werden.

Das Ego setzt sich aus diesem o. g. unbewussten Ablauf zusammen. Aus diesem unbewussten Wirkens-Komplex entsteht das Ego. Es ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs und nährt und erhält sich selbst durch ständige Wiederholung. Das ganze Erleben ist durch das Ego Ich-gefärbt, die Welt wird ins Verhältnis zum Ich gesetzt, alles wird vermeint. Hier liegt das ganze Problem begründet.

Aus diesem Ich-Bewusstsein heraus leben wir unser (vermeintliches) Leben, bilden unser Weltbild, unseren Glauben, politische Überzeugungen, ethische Einstellungen etc.

Ein deutscher Buddhist der alten Zeit (Paul Debes) nannte das Ego auch programmierten Wohlerfahrungssuchlauf. Denn das Ego will immer bestätigt werden. Es will angenehme Dinge erfahren und unangenehme Dinge loswerden. Und das deswegen, weil der o. g. Ablauf unbewusst erfolgt. Diese drei Fakten nennt man im Dhamma (die Buddha-Lehre) lapidar Gier, Hass und Verblendung.

Man darf nun nicht der Ansicht verfallen, dass diese 5 Geistesfaktoren irgendwie an sich unheilsam sind. Es sind lebensnotwendige Werkzeuge, denen wir uns bedienen müssen. Den Unterschied zwischen angemessener und unheilsamer Handhabung macht jedoch das Wissen über deren Wirken.

Ich möchte es für heute mal hierbei belassen und mir ist bewusst, wie trocken und theoretisch das vielleicht zu lesen ist. Aber man kann dies bei nahezu jeder Regung des Geistes mal nachprüfen, wie frei denn unsere Aktionen (besser: Reaktionen) in der Regel sind.

Von der existenziellen Notwendigkeit abgesehen, ist ein Verständnis der Geistesfaktoren eigentherapeutisch äußerst wertvoll hinsichtlich Ängsten, Phobien, Zwängen, Traumen, Depressionen etc. Derlei Krankheiten sind nichts anderes als (sichtbare) pathologische Entwicklungen des Egos. Von Schuld kann man hier jedoch nicht sprechen. Es spielen m. E. auch karmische Entwicklungen mit rein. So komplex bei vielen von uns die Gemengelage sein mag: Eine Veränderung kann (!) bewirkt werden!


II. Tod, Karma und Vor- bzw. Nachexistenz

Bisher versuchte ich zu erklären, wie Ego bzw. Ich-Bewusstsein zustandekommt und sich ständig weiterbedingt. Was passiert nun zum Zeitpunkt des Todes?

Vorweg: Im Gegensatz zu den bereits beschriebenen körperlichen und geistigen Gesetzmäßigkeiten, welche bei etwas Interesse und Bemühen von jedem nachgeprüft werden können, begeben wir uns beim Thema Tod etc. auf ein Terrain, das aus jetziger Sicht (noch) in die Kategorie Spekulation fällt.

Ich möchte aber daran erinnern, dass sich diese Sicht durch Beschreiten des o. g. Einsichtsweges deutlich verändern und somit andere Grundlagen zur Diskussion bieten kann. Vieles, was mir am Anfang nicht einleuchtete, habe ich nicht einfach abgelehnt sondern als Arbeitshypothese einfach mal für einige Zeit so stehen lassen. Mit der Zeit wuchs das Verstehen und in der Folge auch die Überzeugung.

Also: man kann als ziemlich erwiesen annehmen, dass beim Tod sämtliche (!) körperlichen und geistigen Faktoren wegfallen. D. h. die oben beschriebenen Werkzeuge nebst Körper verschwinden restlos - Gehirn, Gedanken, Überzeugungen, Sinneseindrücke, Gefühle - alles weg. Nun könnte man meinen, dass damit alles erledigt sei, da ja das Ego sich derer bedient hat?! Dem ist nicht so! Denn das Ego besteht (!) ja nicht aus diesen Faktoren, sondern es haftet an bzw. identifiziert sich damit.

Und hier ist es wichtig, die treibende Kraft der Ich-Illusion zu realisieren. Das was nicht stirbt, ist, so widersprüchlich sich das evtl. zu Beginn anhört, das Ego: Gier, Hass und Verblendung bestehen unverändert weiter fort. Und suchen wie seit jeher wieder Nahrung in Form von Weiter-Erleben. Die Art und Weise dieses Weiter-Erlebens ist zwangsweise bedingt (abhängig) vom Wollens-, Nicht-Wollens- und Nicht-Wissens-Status des Egos zum Zeitpunkt des Todes. Unmittelbar nach dem vollständigen Tod beginnt ein neues, vom letzten Leben beeinflusstes Dasein bzw. Erleben. Das muss nicht notwendigerweise in Form einer menschlichen Geburt erfolgen. Wer sich im wahrsten Sinne menschlich entwickelt hat, hat gute Chancen, wieder als ein solcher zu erleben. Wer tierische Triebe kultiviert hat, wandert folglich ins entsprechende Tierreich. Es gibt auch noch andere Bereiche, die hier nicht weiter erwähnt werden müssen. Nur soviel: Die langfristige Kausalität findet im Tod und dem unmittelbaren Beginn neuen Erlebens seine Erfüllung. Es können sich genau da karmische Früchte manifestieren, die im derzeitigen Leben einfach aufgrund der Umstände noch nicht reif waren.

Um das leichter zu begreifen, will ich ein Bild von einem Baum malen, der sich im Laufe seines 80-jährigen Lebens insgesamt (!) in irgendeine Richtung entwickelt hat. Mal wuchs er nach Osten, mal mehr nach Süden und so weiter. Er bildete Triebe, Zweige, Äste, eine Baumkrone sowie Neben- und Hauptstämme - auch die Entwicklung seiner Wurzeln muss man berücksichtigen. Der Tod des Menschen gleicht nun einem sauberen, waagerecht-gleichmäßigen Schnitt ganz unten am Hauptstamm des Baumes. Wohin fällt nun der Baum? Ausgehend von Windstille, fällt der Baum in diese Richtung, in der er sich im Laufe seines Lebens am stärksten entwickelt hat.

Der Baum steht in diesem Gleichnis für den Körper und die 5 Geistesfaktoren.
Die Fallrichtung steht für den neuen, zukünftigen Erlebensbereich.
Die Anziehungskraft jedoch steht für das Ego, die Ich-Illusion, die Verblendung.

Das Ego hat normalerweise kein Gedächtnis oder Wissen aus Vorexistenzen. Obwohl das Erleben in hohem Maße durch die (zahllosen) Vorexistenzen (in den verschiedensten Daseinsbereichen) geprägt ist, ist es der Ansicht, dass es ein eigenständiges, unabhängiges Individuum ist. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Diese sind vorwiegend in Ländern zu finden, die kulturell (noch) die Überzeugung von Reinkarnation oder Wiedergeburt (= eigentlich Weiter-Geburt!) haben.

Nun dürfte sich die Frage nach dem wer ist es, der stirbt? langsam beantwortet haben, jedoch in einer Weise, die viele logischerweise überhaupt nicht zufriedenstellt. Einige wenige jedoch dürften aufatmen, weil sie eine Antwort erhalten haben, die ihnen (!) nicht nur Verantwortung sondern auch Veränderungspotenzial zuweist.

III. Fazit und Aussicht

Das, was überlebt ist leider exakt das Problem.

Aber es ist kein Ich das überlebt. Nur Trieb, Aversion und Unwissen über das oben Gesagte. So wird der endlose Daseinskreislauf weitergeführt.

Das Ziel buddhistischer Geistesschulung ist das Beenden dieses Kreislaufs. Das bedeutet: das Auflösen des Egos, der Illusion. Und das kann mitnichten durch Selbstmord erreicht werden, wie man inzwischen gelernt haben dürfte.

Der Weg dorthin nennt sich der Achtfache Heilsweg und ihr Endziel ist das vollumfängliche Verstehen der Edlen vier Wahrheiten. Diese hier zu besprechen würde den Rahmen sprengen und auch zu weit vom ursprünglichen Thema wegführen.

Soweit hoffe ich, dass damit evtl. neue Sichtoptionen zur Verfügung stehen. Und für mich war es lehrreich, alles mal wieder neu formulieren zu müssen. Das ist eine gute Übung!





Dr. Christina Wiesemann
App im Playstore