Liebe Darleen,
Danke für deine liebe Antwort.
Im Moment ist meine Situation verzweifelt. Ich habe eine heftige Woche hinter mir, da ich viele Arzttermine hatte, die ich unbedingt wahrnehmen musste (weil mehrfach verschoben), darunter eben auch ein letztes Gespräch mit meinem Therapeuten,
Dann der Geburtstag, den wir in zwei Feiern aufgeteilt hatten. Am Mittwoch mit Familie, am Samstag mit den Kindern. Es war soviel vorzubereiten und der Druck, ihm diesen Tag schön zu machen und diesen trotz der ganzen Leute durchzuhalten, das beten, dass ich bitte bitte nicht ausgerechnet an diesen Tagen irgendetwas körperliches/psychosomatisches habe- wie Magenentzündung, oder Darmbeschwerden. Ich hatte solche Angst, nicht mal an diesem Tag meine Mutterpflicht erfüllen zu können.
Äusserlich habe ich beide Tage gut gemeistert und auch die Arzttermine wahrnehmen können. Aber in Wahrheit hat diese Woche meine Kraft, die schon vorher aufgebraucht war, bei weitem überstiegen. Ich bin am Ende. Seit dem habe ich diese Übelkeit (die in meiner Krankheitsgeschichte ja schon immer eine ziemlich tragende Rolle spielte) ganz intensiv. Aber was noch schlimmer ist- mein ganzer Unterkieferbereich ist verspannt und ich kann nicht aufhören, daran herum zu massieren.
Ich habe schon vor Jahren angefangen, meine Hand an den Hals zu legen, wenn ich unter anderen Menschen war. Zum einen, weil ich dann oft so angespannt war, dass ich das Gefühl hatte, den Schluckvorgang mit etwas Gegendruck nicht durchführen zu können, zum anderen, weil es mir als intuitive Geste die Übelkeit ein wenig gelindert hat.
Nun aber kann ich seit einigen Tagen auch hier zu Hause kaum noch schlucken, ohne meine Hand zum Hals zu führen. Das macht mir Angst. Negative Gedanken zu haben, die einen Quälen ist eine Sache. Aber dann auch noch körperliche Gesten ausführen zu müssen, weil sonst wegen starker Übelkeit der Schluckvorgang nicht funktioniert, dass gibt mir das Gefühl in die Psychiatrie zu gehören und vollends die Kontrolle zu verlieren.
Sobald ich die Hand weglasse, ist es, als hätte ich in eine Zitrone gebissen. Der Speichel sammelt sich in meinem Mund, es ist, als müsse ich mich übergeben. Dabei weiß ich, dass mit dem hinfassen alles noch schlimmer wird. Ich reize damit den ganzen Bereich, vor allem den Kehlkopf und ausserdem bin ich bestimmt auch schon konditioniert: An den Hals fassen= Übelkeit.
Ich traue mich mit Niemandem zu reden, weil ich Angst habe, dass man mich dann für völlig abgedreht und schwer krank hält und solche Wörter machen mich dann nur noch hoffnungsloser.
Ich komme nicht zur Ruhe, weil ich nicht anders kann, als mich den ganzen Tag mit Tausenden Dingen unter Druck zu setzen. Morgens: schaffe ich es, meinen Lukas Kigafertig zu machen, ihn zu versorgen, dabei fröhlich zu wirken? Danach: kann ich heute etwas frühstücken, oder spielt mein Magen wieder so verrückt, dass ich es besser bei Tee belassen? Was kommt heute auf mich zu- wird es wieder so schlimm wie Gestern? Mittags: Ich muss Lukas essen kochen. Wie schaffe ich das bloß, was koche ich bloss? Nachmittags: Ich muss mit dem Hund meiner Schwiegereltern gehen, aufräumen. Wie halte ich diese Übelkeit aus, bis ich endlich einschlafen kann? Abends: ich muss es schaffen, Lukas bettfertig zu machen, muss eine gute Mutter sein, muss die Zeit bis Nachts Jan kommt alleine überbrücken und immer bereit stehen, wenn Lukas aufwacht! Ich muss es schaffen die Wohnung ordentlich zu halten...
Dazu die ganze Trauer und Sehnsucht, nach einem glücklichen Leben.
Dann die Angst vor der Klinik. Jeden Tag zieht mich der Gedanke daran herunter. Du musst in eine Klinik. Es gibt für Dich keinen Ausweg mehr. Obwohl in meinen Gedanken alles nur noch schlimmer wird, in ei ner Klinik:
- Musst Du dort Beruhigungsmittel nehmen, weil es in der fremden Umgebung gar nicht mehr anders geht?
- Wie willst Du deine Bedürfnisse ausdrücken, oder Hilfe einfordern- trotz deiner krankhaften Unfähigkeit dazu
- Wie sollst Du die Nächte ganz alleine überleben, wo die Ncahtwache höchstens mal einen Blick ins Zimmer wirft
- Was, wenn es Dir so schlecht geht und die Dir nur Medikamente anbieten, oder sagen sonst müssen Sie es eben aushalten?
- Was, wenn die mir Diagnosen geben und das Gefühl, ein schwerer Fall zu sein, und Du Dich davon nie wieder erholst (mental)
- Was, wenn Du wegen deinen ständigen körperlichen Sachen das Therapieangebot nicht nutzen kannst?
Ich fühle mich so allein und ausweglos.
Bitte nimm es Dir nicht so zu Herzen. Ich hoffe, es ist okay, was ich geschrieben habe. Es wird auch wieder besser.
Mein Mann sagt immer, dass es eine Gerechtigkeit gibt. Aber ich weiß, dass es nicht so ist. Es kann genauso gut sein, dass ich zu den Klinikleichen gehöre, die hinterher mit dem Leben gar nicht mehr zu recht kommen, mehrmals im Jahr in der Klinik landen und trotz einer Menge Medikamente nicht zu recht kommen. Ich habe davon alleine in der Tagesklinik viele, viele kennen gelernt. Und es hat mich wochenlang herunter gezogen. Wie soll ich dann in der Psychiatrie zu recht kommen, Hoffnung schöpfen.
Mein Mann hilft mir eigentlich viel. Aber er ist im Moment auch erschöpft. Wegen mir und wegen seiner Selbstständigkeit, die ihn sehr aufzehrt. Irgendwie hat er sich angewöhnt, mir über meine Krankheit eine reinzuwürgen, wenn er sich total ungerecht behandelt fühlt. Ausserdem sagt er oft, dass er geht und alles zu Ende ist. Das hat nichts mit meiner Krankheit zu tun (außer, dass es mir deswegen noch mehr Angst macht), sondern einfach nur damit, dass er regelmäßig abtickt. Er denkt dann total irrational, fühlt sich bevormundet, ungerecht behandelt, abgelehnt- was weiß ich. Nach ein paar Stunden ist dann alles wieder okay und er entschuldigt sich, aber belasten tut es mich trotzdem.
Verzeih den langen Text. Bin total verzweifelt.
Wie geht es Dir?
Ich drück Dich