Zitat von Jericho:@Vendetta1981 Dein Wort in Gottes Ohr (ohne religiöse Verbreitung). Aber wie hast du es geschafft diesen anderen Symptomen keinen Raum mehr zu geben? Diesen Adrenalinschüben? Einfach passieren lassen? Wie bist du durch zum Beispiel starken Kreislaufproblemen und enorme Schwäche gegangen? Das würde mich wirklich ...
Nun ja, es ist ja zunächst so, dass jemand der eine Angststörung hat und diese auch auslebt Empfindungen erfährt und/oder auch produziert, die schwer zu ignorieren sind. Wenn ich mich schlecht fühle, Adrenalinschübe habe, Herzrasen oder das Gefühl an der Schwelle der Panik zu stehen, dann hilft in dem Moment nicht mehr das wissen was man tun muss um so etwas in Zukunft nicht mehr zu haben. Die emotionale Erregung ist zu stark, dass man kaum noch in der Lage ist rationale Bewertungen und Entscheidungen zu treffen. In dem Punkt ist unser Hirn einfach dumm. Jeder mit einer Angststörung kennt das Gefühl plötzlich etwas zu fühlen, was neu und noch nie aufgetreten ist, obwohl man es schon zig Male hatte. Als wären die Erfahrungen die man bis dahin gemacht hatte wie ausgelöscht.
Im Endeffekt steht und fällt es mit der Bereitschaft in Erwägung zu ziehen, dass die Empfindungen zwar real sind, aber keinen krankhaften Hintergrund haben müssen und dass es sehr wohl möglich ist, dass man sich hundeelend fühlen kann ohne organisch krank zu sein. Das klingt alles zu einfach und ist es auch, vorallem wenn man wie wir alle keine Ärzte sind und in unserer Fantasie alles geschehen kann, egal ob es abwegig ist oder nicht. Der Weg zu dieser Bereitschaft kann gelernt werden. Man muss sich das vorstellen wie beim Sport. Bin ich untrainiert und mein Ziel ist es 30 Minuten ohne Pause zu joggen, muss ich klein anfangen. Das geht nicht innerhalb von einem Tag, einer Woche oder einem Monat. Dazu kommt es auf die Ausgangsposition an. Wie alt bin ich, wie sportlich bin ich? Bin ich übergewichtig, habe ich Vorerkrankungen, bin ich zeitlich flexibel genug? Das sind alles Dinge die bei dem Ziel eine Rolle spielen.
Genauso geht es zu bei der Bewältigung einer Angststörung. Will ich (nahezu) Angstfrei sein, muss ich klein anfangen. Man kann nicht verbindlich sagen wie lange es dauern wird die Angst zu überwinden, die Ruhe und Gelassenheit zu entwickeln, dass man die Gedanken ablegt und nicht jeder Empfindung wie ein Fuchs hinterher jagt und sich darüber Fragen stellt, was das denn nun schon wieder ist. Wichtig ist, wie beim Beispiel Sport einen Plan zu haben. Laufanfänger haben einen Trainingsplan der ihnen genau vorgibt, an welchen Tagen sie was tun sollen. Den arbeitet man ab. Man spürt die Veränderung nicht sofort sondern erst mit der Zeit, je länger man nach diesem Plan arbeitet.
Was kann das für ein Plan sein? Ich habe ja oben gesagt, dass unser Hirn dumm ist, es denkt negativ und geht erst mal von einer Gefahr aus, bis es vom Gegenteil überzeugt ist. Damit unser Hirn aber lernt, emotionale Krisen nachhaltig so einzuordnen, dass sie keinen Trigger mehr darstellen, muss man das Hirn trainieren. Je nach Schwere der Angsterkrankung, sind unterschiedliche Methoden anzuwenden. Der eine schafft es ohne Medikamente, der andere braucht sie. Manche schaffen es ohne Therapie, andere nicht. Bin ich eher der Typ der viel fantasiert oder grundsätzlich rationaler eingestellt. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, was den Verlauf der Bewältigung beeinflusst. Hilfreich sind vorallem alle Sachen, die das Hirn immer wieder dazu animieren, sich an bereits Erlebten zu erinnern. Dafür kann man z.B. ein Symptomtagebuch nutzen. Man schreibt seine störenden Empfindungen auf und nutzt sie als Erinnerungsbasis um sich immer wieder klar zu machen, was man alles schon erlebt hat. Dann gibt es z.B. die Möglichkeit sich ganz bewusst jeden Tag eine feste Zeit zu nehmen und sich mit seinen Gedanken auseinander zu setzen. Also man nutzt 30 Minuten am Tag um seinen Sorgen und Ängsten nachzuhängen. Die Zeit davor oder danach ist tabu, egal welche Empfindungen man zwischendurch wieder erlebt.
Achtsamkeitsübungen sind z.B. dafür da sich bewusster mit seiner Umwelt auseinander zu setzen und aktiv sämtliche Sinneseindrücke wahrzunehmen. Das trainiert den Autopiloten ab und hält das Hirn aktiv, so dass sich Gedanken weniger verselbstständigen können. Es bringt aber vorallem Ruhe, was wichtig ist für die Symptomproblematik. Je gelassener ich bin, desto weniger verstärkend wirkt sich das Nervensystem auf Vorgänge im Körper aus. Der Klassiker z.B. seinen Herzschlag andauernd zu spüren ohne es zu wollen ist so ein Fall. Hatte ich z.B. monate lang und es verschwand wieder, zeitgleich mit dem Fortschritt, sich das Beobachtungsverhalten abzutrainieren. Meditationen sind auch gute Möglichkeiten, sich einfach daran zu versuchen seinen Kopf leer zu bekommen und darauf zu achten nicht abzuschweifen. Es gibt hunderte Videos auf YouTube um einfach mal 30 Minuten still zu sitzen, die Augen zu schließen und einfach nur zuzuhören. Auch das bringt Ruhe. Aber die muss man sich eben gönnen. Das hat auch nichts mit Spinnerei zu tun, man muss auch nicht im Schneidersitz da hocken und vor sich hin summen. Ziel soll es sein einen Entspannungszustand zu provozieren.
Wichtig ist am Ende nicht, was man macht sondern dass man was macht. Anfangs ist jeder Tag eine Herausforderung, sich entgegen der Empfindungen zu zwingen, sich keine Krankheiten auszumalen und dass man eben nicht jeden Moment tot umfallen könnte. Aber es wird über die Zeit, wie beim Sport Stück für Stück leichter wenn man konsequent dran bleibt.