Zitat von Lottikarotti:du warst aber auch mal Hypochonder. Ist das bei deinem Sport auch gleich mit weg gegangen, wie deine Herzangst ?
Das ging tatsächlich Hand in Hand. Ich habe wirklich viel Psychohygiene betrieben und mir jegliches Nachdenken über Krankheiten schon im Ansatz verboten.
Ich habe konsequent nicht mehr gegoogelt, sämtliche Informationen über Krankheiten- z.B. auch im Fernsehen- komplett gemieden und mir zur Regel gemacht, unter gar keinen Umständen mehr über meine "Symptome" und Befindlichkeiten zu reden.
Mein erklärtes Ziel war, mir meinem Mann gegenüber nichts mehr von meinen Ängsten und Zuständen anmerken zu lassen. Das war oft knallhart, aber dadurch, dass ich nicht drüber reden konnte, musste ich die Ängste auch ständig wegschieben und zurückdrängen.
Und da ich das wider Erwarten überlebt habe, wurde ich nach und nach tatsächlich gelassener. Ich kenne immer noch 1001 mögliche Symptome aller möglichen und unmöglichen Krankheiten. Aber ich glaube nicht mehr, dass ich sie habe.
Ich vertraue darauf, möglichst lang davonzukommen. Und falls eines Tages der Moment kommt, wo mich wirklich was erwischt, will ich bis dahin ohne Angst gelebt haben. Zum Angst haben ist dann Zeit, wenn es einen echten Grund - heißt: eine konkrete Diagnose - gibt.
Nach meiner Erfahrung erwacht mein Kampfgeist ziemlich schnell, wenn ich mit Schwierigkeiten konfrontiert bin. Und dann muss ich sehen, was geht.
Wenn sich ab und zu Anflüge von Hypochondrie zeigen, drücke ich das sofort weg. Die Devise ist, dass ich es schon mitkriegen werde, wenn irgendwas Ernstes ist. Ich nehme mir Menschen zum Vorbild, die sich überhaupt keine Gedanken über ihre Gesundheit machen - wie mein Mann zum Beispiel.
Der braucht gefühlt die Hand ab, um möglicherweise ärztlichen Handlungsbedarf zu sehen. Er ist wirklich krank und stark gehandicapt, aber er verhält sich nicht so. Sein Bruder geht grundsätzlich zu keinem Arzt. Er vertraut darauf, dass schon alles gut sein wird.
Das mache ich nicht. Ich nehme meine normalen Vorsorgeuntersuchungen wahr und gehe auch zum Arzt. Aber im Gegensatz zu früher halt nur dann, wenn ich wirklich krank bin und nicht, wenn ich befürchte, es zu sein.
So simpel es klingt, aber so wie ich beschlossen habe, endgültig abzunehmen, habe ich auch beschlossen, mein Leben zu genießen und mich nicht mehr verrückt zu machen. Und es hat auch wie das Abnehmen funktioniert: Einfach jeden Tag wieder entscheiden, damit weiterzumachen.
Das geht nicht ohne Reibung und man muss stur bleiben. Übersteigerte Angst ist nur eine Fehlwicklung im System. Mein Standardsatz zu mir selbst war immer "Hör auf rumzuspinnen!" Ich habe die Hypochondrie immer stärker auf die Ebene gezogen, sie als bescheuert und dämlich und unnütz zu bewerten.
Das war ein kompletter Gegensatz dazu, die Angst als Warnung vor einer Bedrohung zu werten. So wie ich mich als Fette ablehnte, habe ich mich auch als Hypochonderin abgelehnt. Ich wollte einfach nicht mehr so sein.
Mein Weg führte immer über eine strikte Ablehnung meiner negativen Verhaltensweisen. Ich wollte mich nie als Fette akzeptieren und ebenso wenig als "Paniktante". So habe ich mich oft selbst genannt - genauso wie ich mich auch als "fett" und nicht als "übergewichtig" bezeichnet habe. Für mich gabs da nichts schönzureden.
Mich konnte ich immer gut leiden - diese Eigenschaften und Verhaltensweisen aber nicht. Die habe ich gehasst und abgelehnt und wollte sie loshaben, weil ich sie nicht als zu mir gehörig empfand. Das Fett ebenso wenig, wie die Angst.
Das klappt sicher nicht für jeden. Aber mich hat diese Härte im Umgang mit mir selbst gerettet. Auch der Stolz darauf, es gepackt zu haben, fühlt sich unglaublich gut an.