Zitat von Julischka85:Das ist so anstrengend. Ich wache auf und mir ist nach heulen und keine Energie in mir. Dann beginnt der Tag trotzdem und währenddessen kehrt das Leben in mir zurück und ich könnte glücklich über Wiesen hopsen. und dann kommt wieder so ein Klatsche und ich falle ins Verzweifeln. Ich bin so erschöpft.
Ich greife mal nur diesen Satz heraus, denn er ist typisch für die meisten Angsthasen. Er beginnt mit Verzweiflung, erwähnt mal eben kurz was Positives und endet in Verzweiflung. Was hier passiert, ist eine permanente Fehlkonditionierung. Wenn man sich am Tag 100 Mal sagt, dass man nicht mehr kann und dass es einem schlecht geht, kann das Leben gar nicht anders verlaufen als mies.
Andersrum wird ein Schuh draus: Sich einmal kurz gestatten festzustellen, dass es anstrengend ist. Und den Rest der Gedanken mit Positivem füllen. Ich habe mir in meiner Aufbauzeit ganz bewusst angewöhnt, mir im Spiegel zuzulächeln und mich für jeden verdammten Schritt zu loben, den ich gemacht habe. Und zwar LAUT. Was die Ohren hören, kommt nachdrücklicher ins Hirn als das, was man nur denkt. Zudem ist man gezwungen, ein Lob auch zu Ende zu denken und nicht nur in einem gedanklichen Halbsatz verenden zu lassen .
So viele von euch füllen ihr ganz Leben minütlich mit negativen Gedanken. Und nein: Es ist keine Entschuldigung, dass der Körper so schlimme Signale sendet, denn das tut er nicht. Er lebt, bewegt sich, atmet und macht einen ganz wunderbaren Job, indem er ständig den Kreislauf reguliert, die Körpertemperatur stabil hält und alle Prozesse, die zum Leben nötig sind, vollzieht.
Das kann er ganz ohne Bewachung, Kontrolle, Beobachtung. Im Gegenteil: Er kann es besser, wenn man ihn einfach machen lässt. Und diese Signale werden nicht aufhören, solange man lebt. Mein Herz stolpert immer noch und öfter mal sticht oder drückt es in meiner Brust. Ich habe immer noch viele Tage, an denen Stress oder schlechte Schlaflage mir Kopfschmerzen machen. Ich schwitze nach wie vor jede Nacht wie ein Ochse, weil meine Hormone seit den Wechseljahren anscheinend beschlossen haben, dauerhaft Kapriolen zu schlagen. Ich habe ab und zu blaue Flecken, Wadenkrämpfe, Bauchweh und Blähungen und Muskelzuckungen an den verschiedensten Körperteilen. Und an manchen Tagen rast mein Puls aus welchen Gründen auch immer.
Und jetzt? Hätte ich darauf warten wollen, dass all diese Sachen AUFHÖREN, wäre ich heute noch genauso in meiner Angst gefangen wie ihr es aktuell seid. Denn aufgehört hat nichts davon. Die Herzstolperer sind durch die Abnahme und das Training weniger geworden, denn Übergewicht triggert Herzrhythmusstörungen. Trotzdem sind sie noch da. Was ich los bin, sind Bluthochdruck, dauerhaft hoher Puls, Schlafapnoe und 55 Kilo Fett. Der Rest ist noch da, und ich kann euch versichern, dass dieser Rest durchaus noch immer seine Herausforderungen bietet. .
Ich bin nicht anders als jede von euch. Ich bin weder Superwoman noch scheint mir jeden Tag die Sonne aus dem Allerwertesten. Es gibt überhaupt keinen Grund zu glauben, dass jede/r Einzelne hier das nicht ebenso hinkriegt. Das Einzige, was uns unterscheidet ist, dass ich früher losgegangen bin.
Darauf warten und hoffen, dass es besser wird, führt ins dauerhafte Unglück. Es taucht keine Fee auf, die ein bisschen Glitzer verstreut und morgen ist dann alles gut.
Ich lese hier so oft, dass der Verstand weiß, was richtig und falsch ist. Es ist aber doch der Verstand, der einen dazu bringt, Dinge zu tun oder zu lassen.
Niemand hier hat SYMPTOME. Es sind ganz normale Körperreaktionen, die als krankhaft bewertet werden. Und das ist anscheinend so g.eil, dass man es wieder und wieder und wieder macht, obwohl man es besser weiß. Ich lese so viele kluge Gedanken, so viel Empathie, so viel Selbstreflexion in den Posts hier. Nur eines lese ich nicht:
Ich gestalte AB SOFORT mein Leben anders. Und danach dann jede Erfolgsmeldung, jeder Minischritt, der gelungen ist. Das Leben feiern, nicht das Sterben zelebrieren.
Ich weiß nicht, ob ich's schon mal erwähnt habe: Das geht nicht übers Wollen und Wünschen. Das geht nur übers Machen.
Und machen heißt genau das: MACHEN.
- Rausgehen und sich bewegen, auch wenn das Herz rast und stolpert und der Schwindel den Kopf wabbelig macht. JEDEN TAG. Am besten mehrmals. Je kürzer die Pausen dazwischen, umso leichter fällt es nach einer Weile.
- NICHT GOOGELN. Und hey, das IST einfach. Niemand legt einem die Finger auf die Tastatur. Das macht man selber.
- NICHT in sich reinhorchen. NIE. Sobald man was spürt, ein imaginäres Stoppschild hochhalten und SOFORT etwas anderes tun. Dabei nicht sitzen- oder liegenbleiben. Das geht immer schief. Stattdessen aufstehen, aufräumen, putzen, das Zimmer streichen oder zu einem Youtube-Workout tanzen.
Habe ich erwähnt, dass man das immerzu so machen muss?
Eine Lebensveränderung ist genau das: Eine Veränderung. Immer wieder das Selbe machen und hoffen, dass es anders wird, funktioniert halt einfach nicht. Und blöderweise reicht es auch nicht, heute mal ein bisschen was zu probieren und es dann wieder zu lassen.
Und ja: Veränderungen sind s.cheiße anstrengend. Angst haben und weitermachen wie bisher ist viel leichter. Da muss man ja nicht an sich arbeiten, sondern kann wunderbar in der eigenen Soße weiter vor sich hin köcheln.
Übrigens muss man das jeden Tag tun.
Jede Lernwiederholung mit neuen, gesunden Gewohnheiten ist GUT. Jede Lernwiederholung mit alten, kranken Gewohnheiten ist schlecht. Und da die schlechten Gewohnheiten schon so lange gepflegt und gehätschelt werden, sind sie viel penetranter und schneller präsent, als die neuen.
Da muss man durch. Anders geht's nicht.