Zitat von HaZelGreY:Wie schaffst du es zu Vertrauen?
Das Vertrauen kam sukzessive, ganz allmählich mit jeder Bewegungseinheit, die ich überlebt habe. Und da war Regelmäßigkeit entscheidend. Wenn ich mir sagen konnte: Du hast es gestern geschafft, also schaffst du es heute wieder, hat das meist funktioniert. Sobald ich aber auch nur einen Tag Pause gemacht oder eine Einheit abgebrochen habe, hat es mich zurückgeworfen. Besonders schlimm war es nach einem Abbruch oder wenn ich nicht aus Faulheit gemieden habe, sondern aus Angst.
Ist ja auch logisch: Jedes Meiden, jedes Nachgeben ist eine Lernwiederholung für die Angst. Das Hirn kann sich nicht merken Du hast es gestern geschafft, sondern es muss sich merken Gestern ging's dir total schlecht. Aus beiden Varianten zieht es die logische Schlussfolgerung, dass das zuletzt Erlebte heute wiederholbar ist.
Ab dem Moment, wo ich erkannt hatte, dass ich nicht aussetzen darf, habe ich mir die Regel gesetzt, das auch nicht zu tun. Die Devise war: Egal, wie ich mich fühle: Ich gehe meine 30 (später 45, dann 60) Minuten. Variabel ist nur das Tempo, also das Wie, nicht das Ob.
Um durchzuhalten habe ich wild rumprobiert. Nicht jede Technik hat an jedem Tag funktioniert. Mal half mir stupides Zählen, mal Reimen, mal Rechnen. Mal hat laute, rhythmische Musik funktioniert, mal ein Hörbuch, mal konnte ich gar keine Geräuschkulisse brauchen und wollte die Natur um mich wahrnehmen. Es war fast jeden Tag etwas anderes nötig. Hörbücher haben eigentlich relativ am besten funktioniert, wenn die Geschichte mich gepackt hat. Ich habe dann konsequent auch nur beim Marschieren weitergehört, damit ich mich drauf freuen konnte, wie die Story weitergeht.
Ich bin überzeugt, dass es einzig und allein das TÄGLICHE TUN war, was mich rausgebracht hat. Jeden Tag eine neue Lernwiederholung, dass ich nicht sterbe, wenn ich mich bewege. Nicht darüber nachdenken, nichts zulassen, was mich hindern konnte, war die einzige Chance, die ich hatte, denn ich war neben der Angst auch fett und faul.
Und das ist geblieben. Ich bin seit fast 4 Jahren sowohl schlank als auch weitestgehend angstfrei. Und ich laufe nahezu jeden Tag. Egal, wie das Wetter ist, egal wie ich drauf bin. Es hilft mir, mein Gewicht zu halten, mein Essverhalten im Griff zu haben und vor allem, meine Angst zu kontrollieren. Indem ich mir nach wie vor jeden Tag aufs Neue beweise, dass ich laufen und überleben kann, befinde ich mich faktisch in permanenter Sicherheit, dass mein Herz gut trainiert ist. Ich mache inzwischen auch noch anderen Sport, aber der ist quasi die Kür. Laufen ist Pflicht.
Wenn ich mal einen Tag aussetze, werde ich unruhig. Das entspannte, positive Gefühl nach dem Lauf fehlt ebenso, wie der Stolz darauf, wieder mein Soll erfüllt und etwas für meine Gesundheit getan zu haben. An solchen Tagen habe ich nahezu dauernd Hunger und muss total aufpassen, nicht zu viel zu essen. Hier greift auch nach Jahren noch der gute alte Mechanismus, mich mit Essen zu trösten und zu beruhigen. Wenn ich gelaufen bin, brauche ich ihn nicht.
Wenn ich etwas als DEN ultimativen Tipp geben könnte, dann den, TÄGLICH zu gehen/ laufen. Gerne mal langsamer, aber nicht gar nicht.