Hab einmal ein sehr schönes Kommentar in einem anderen Forum zum Thema Angstschwindel gefunden:
Hallo ihr Lieben,
jaja, man staunt, dass es so viele Leidensgenossen gibt. Bevor ich diesen Schwindel hatte, habe ich davon noch nieee etwas gehört. Freilich wusste ich, dass es Menschen mit Panikattacken gibt, aber meine Beschwerden waren doch ganz anders.
Vielleicht zwei Hinweise:
1. Unsere Krankheit ist (!) eine Angststörung. Der Witz ist gerade, dass man gar nicht so die Angst (vor etwas Unbekanntem oder konkreten Situationen, wie U-Bahn, Supermarkt, etc.) spürt, sondern dass sich die Angst eben durch den Schwindel ausdrückt. Das erklärt vielleicht auch, dass in einer richtigen Panikattacke bei manchen der Schwindel weniger wird, weil die Angst sich dann auch andere Wege suchen kann.
Diese Angststörungen zeigen sich in typischen Angstsymptomen: Schwindel, Herzrasen, Magen-Darm-Problemen, Kreislaufprobleme, Muskelzucken, leichtes Erschrecken, Übelkeit (diese Symptome hatte ich am Anfang, aber halt vor allem Schwindel). Und zu diesem Symptomen können bei anderen natürlich beliebige weitere hinzu kommen, z. B. Schmerzen, Kopfdruck, Beklemmungsgefühl, Muskelkrämpfe...... (die Liste ließe sich fortsetzen).
2. Solange man glaubt, körperlich krank zu sein, kommt natürlich eine weitere Angst hinzu: Die Angst, (schwer oder für immer) krank zu sein, endlos diese Beschwerden zu haben. Auch diese Angst ist krankhaft, das heißt übertrieben.
Viele von uns, ich zum Beispiel, kennen diese Angst sicher schon von früher. Ich hatte schon seit Jahren immer wieder körperliche Beschwerden ohne Befund. Und immer dachte ich, dass es was ganz Schlimmes sei, bin von Arzt zu Arzt gerannt. Irgendwann, nach einigen Monaten ging's dann wieder von selber weg.
Diese Angst vor der Krankheit kann natürlich die Angst, die den Schwindel erzeugt verstärken. Angst macht Schwindel, Schwindel macht Angst, usw. Was am Anfang stand ist meist unklar.
Nur ganz selten hatte ich auch ein unklares Angstgefühl. Vor Ostern war's zum Beispiel so, dass ich bei einem Osterspaziergang plötzlich heftige Angst vor dem Sommer, der Sonne, der Wärme, etc hatte. Eine völlig surreale Erfahrung, die mir aber deutlich gemacht hat, dass ich außer dem Schwindel noch ein anderes (vielleicht schwindelauslösendes) Problem habe: Angststörung!
3. Es gibt Medikamente, die gegen Angststörungen helfen. Dazu zählen Serotoninwiederaufnahmehemmer, z. B. Seroxat oder Paroxetin. Theorie bei der Schwindeltherapie ist: Wenn die Angst weniger wird (und das bewirkt diese Sorte der Antidepressiva), dann wird auch der Schwindel weniger.
Und ich muss sagen: Es stimmt. Habe schon ziemlich bald mit Seroxat begonnen, aber zu gering dosiert und zu kurzzeitig. Nach Absetzen wurde es wieder richtig heftig. Seit April nehme ich jetzt 30mg und mir geht's jeden Tag besser. Man sollte die Dosis also ruhig bei 30-40mg ansetzen, so wie es die Ärzte und der Beipackzettel auch für Angststörungen empfehlen. (10-20 mg sind eher für depressive Menschen gedacht).
4. Natürlich ist man hilflos und meint, niemand könne einem helfen, man müsse halt selber nur ganz genau auf sich achten, dann könne man schon Zusammenhänge herstellen (z. B. Claudias Darmtheorie, Perles HWS-Theorie oder Kätzchens parallele Schmerzen an den verschiedensten Stellen).
Das ist sooooo typisch. Auch ich habe ständig auf alles geachtet. Einmal dachte ich sogar, ich hätte Hepatitis, weil mein Stuhl plötzlich eher etwas gelblich war. (Blutwerte waren aber ok!), auch die HWS-Theorie war lange mein Ding (zig Therapeuten haben an mir herumgedrückt und gerenkt...), eine Brille habe ich mir verschreiben lassen (vielleicht kommt's ja von den Augen...), plötzlich haben die Muskeln gezuckt....
All das liegt an einem weiteren Hauptproblem: Unsere ständige übertriebene Selbstbeobachtung. Was anderen Menschen gar nicht auffällt, ist für uns gleich etwas Schlimmes oder zumindest etwas, was mit dem Schwindel zusammenhängt.
Und jetzt das Wichtigste: Der Schwindeleffekt entsteht gerade dadurch, dass wir viiiiiiiieeeeeel zu sehr auf unser Gleichgewicht achten. Natürliche Schwankungen erscheinen uns bedrohlich. Wenn wir diese besser akzeptiern können (beim Joggen, Tanzen, Hüpfen...), dann geht's uns besser.... (euch auch?)
Wenn ihr hier ja sagt, dann seid ihr 100%-ig nicht körperlich schwindelkrank. Kein organischer Schwindel wird bei komplexeren Bewegungen besser oder gar im Dunkeln oder mit Alk.!
Je weniger wir auf den Schwindel achten, umso weniger wird er werden.
Mittlerweile ist es bei mir so, dass ich nur noch dann Schwindel habe, wenn ich kurz mal denke, ich hatte doch mal Schwindel.
Es ist wie beim Treppensteigen. Wenn man nicht darüber nachdenkt, klappt's prima, aber wehe, wenn man sich darauf konzentriert. Oder: Wenn man sich seinen Namen viele Male bewusst laut vorspricht, kommt er einem am Ende ganz seltsam vor!
5. Problematisch ist halt, dass wir schon so lange negative Erfahrungen gesammelt haben: Zu bestimmten Uhrzeiten, zu bestimmten Gelegenheiten und an bestimmten Orten ist uns mehr oder weniger schwindlig. Das bedeutet aber nichts anderes als einen Lernprozess. Schließlich sind wir konditioniert und der Schwindel kommt wie erwartet.
Wichtig ist also, dass man keiner unangenehmen Situation ausweicht. Immer und immer wieder müssen wir alles (!), was zum Leben gehört, tun: Einkaufen, ins REstaurant gehen, ins Kino gehen... Und natürlich ganz besonders die Situationen häufen, in denen uns schwindlig war. Dann wird ganz langsam (!) und mit Hilfe des Seroxats z. B. ein umgekehrter Lernprozess einsetzen: Wir können den Schwindel verlernen. Immer öfter wird es Tage geben, an denen es uns besser geht. Irgendwann vergisst man den Schwindel und wundert sich am Abend, wo denn heute bloß der Schwindel war. Wahrscheinlich kommt er spätestens in diesem Moment!
Es ist wie mit Vokabeln: Irgendwann klappt's ohne Nachzudenken und: Je weniger man nachdenkt, umso besser klappt's!
Fazit:
1. keine Beschäftigung mit dem Schwindel (steigert nur die schädliche Selbstbeobachtung)
2. keine Situation meiden (sonst wird's dort immer schlimm sein, denn wir haben ja nie positive Erfahrungen)
3. Angststörung behandeln (medikamentös, Psychotherapie)
4. sich öfters beweisen, dass man körperlich fit und ok ist: z. B. Joggen, Wandern, Radfahren...
5. keine schnellen Ergebnisse erwarten - nieee aufgeben!
Viele liebe Grüße
29.10.2015 11:54 •
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