Hallo ihr Lieben,
nach vielen Jahren bin ich nun mal wieder hier. 2009 hatte ich einen Totalzusammenbruch, konnte am Ende mein Bett nicht mehr verlassen, weil ich Sorge hatte umzukippen, und nichts mehr essen, aus Angst zu ersticken. Ich musste alles abbrechen: Mein Studium, die WG in der Studienstadt. Ich bin zurück zu meiner Mutter gezogen und dann mit Cipralex, Tafil und Lorazepam als Notfallmedikament behandelt worden, außerdem habe ich 5 Jahre lang Verhaltenstherapie gemacht. Die Diagnosen kamen Schlag auf Schlag: Panikattacken, Agoraphobie, generalisierte Angststörung, Depressionen. Und als Krönung - ein riesen Schock für mich - dann noch die Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung.
Inzwischen ist die maximale Anzahl an Therapiesitzungen vorerst ausgeschöpft, ich muss zwei Jahre warten und kann in dieser Zeit einmal pro Quartal eine Sitzung bei meiner Therapeutin wahrnehmen. Dem Gefühl nach habe ich alles versucht. Und es geht mir besser, viel besser. 2009 war mein großes Ziel, irgendwann wieder eine Runde mit meinen Hunden in den angrenzenden Park gehen zu können. Mehr habe ich mir für mein Leben nicht vorstellen können, allein für eine solche Runde wäre ich unheimlich dankbar gewesen. Mit der Therapie machte ich große Fortschritte, innerhalb eines Jahres hatte ich wieder einen halbwegs normalen Alltag, der Spaziergänge, Einkäufe und auch teilweise Besuche bei Freund_innen beinhaltete. Dann wagte ich ein neues Studium, eine Stunde Bahnfahrt pro Strecke. Es klappte! Ich gewann die naive Hoffnung, irgendwann doch nochmal ein normales Leben führen zu können. Mitunter vergaß bzw. verdrängte ich meine Krankheiten sogar.
Doch es kamen Rückschläge. Vor allem dann, wenn ich mich überforderte oder Kontakt zu bestimmten Personen aus meiner Vergangenheit hatte. Zwischendurch hatte ich wieder das Gefühl, auf Null zurückgeworfen zu werden. War wütend. Ich habe so viel versucht, so hart gekämpft - wieso reicht das nicht?! Wieso hört es nie auf?! Wieso ich?...
Ich lernte dazu. Lernte, Vorzeichen wahrzunehmen und zu deuten. Lernte, Nachsicht mit mir selbst zu haben. Ich studiere jetzt seit 10 Semestern in einem Bachelor, der auf 6 Semester ausgelegt ist. Und ich bin noch nicht fertig. Mein Schnitt ist gut (ich hoffe mit einem Abschluss von schlechtestens 1,3), aber ich brauche ewig. Zum Teil falle ich ganze Semester lang aus, weil die Angst, Panik und die Depressionen wieder da sind.
Seit 1,5 Jahren hat sich mein Zustand verschlechtert. Ich habe wieder starke Depressionen mit Selbstmordgedanken. Das hatte ich seit meiner Jugend nicht mehr. Meine Therapeutin rät mir zu einer Tagesklinik für Bordlerinebetroffene. Ich habe Kontakt aufgenommen, Bögen ausgefüllt, Mails geschrieben. Was fehlt ist ein Anruf. Den ich seit Monaten nicht bewerkstelligt kriege. Und dann die Zweifel: Wie soll ich dort jeden Tag mit der Bahn hinfahren? Was, wenn in genau der Zeit die Angst wieder kommt? Und: Was ist mit meinem Studium? Wo soll ich denn da noch einen Tagesklinikaufenthalt unterbringen? Ich will doch endlich mal fertig werden... Also versuche ich, durchzuhalten. Vielleicht halte ich es ja zumindest bis zu meinem Abschluss durch und kann mir danach eine Therapiepause gönnen?
Mit 26 kam ich mir, zurück in meinem Kinderzimmer bei meiner Mutter, wie eine totale Versagerin vor. Meine Depressionen waren zu der Zeit sehr stark, ich wusste ich muss was ändern. Die Wohnung unter der Wohung meiner Mutter wurde im Dezember 2014 frei. Ich mietete sie an. Das bedeutete aber auch: arbeiten. Ich hatte bereits zwei Jobs an der Uni, allerdings komplett selbstorganisiert. Hier hinterfragte niemand, wenn ich mal ein paar Tage ausfiel. Ich musste mich nicht rechtfertigen, zum Teil bekam es nichtmal jemand mit. Ich suchte mir einen dritten Job (wieder an der Uni), diesmal mit festen Bürozeiten und einer direkten Vorgesetzten. Es stresste mich extrem. Plötzlich kehrten körperliche Erkrankungen wieder, die früher fest zu meinem Leben gehört hatten, mit denen ich aber seit Jahren keine Last mehr gehabt hatte. Blasenentzündungen. Magenschleimhautentzündungen. Ohrgeräusche. Meine Chefin erwartete viel von mir. Ständige Verfügbarkeit, unbegrenzte Überstunden. Ich suchte mir einen anderen Job und kündigte.
Seit Dezember muss ich nun schon nicht mehr arbeiten, weil ich so viele Überstunden angehäuft hatte. Am 01.02. beginnt mein neuer Job. Ich habe Angst. Was, wenn ich es nicht schaffe? Ich habe soziale Ängste. Angst vor der Fahrt. Angst, dass irgendwer raus- oder mitbekommt, wie verrückt ich bin. Wie soll ich das schaffen? Und dann noch mein Studium nebenher...
Ich kriege Zweifel. Was, wenn ich doch nie ein normales Leben werde führen können? Ich bin nicht belastbar. Ich bin nicht flexibel. Reisen sind der absolute Horror für mich. Aber all das wird in dem Bereich, den ich beruflich machen könnte/ würde/ möchte erwartet. Sackgasse.
Zum ersten Mal denke ich wieder darüber nach, wie ich mir ein Leben um die Krankheit herum aufbauen könnte. Ich hätte so gerne einen richtigen Job. Ohne Geldsorgen. Und Kinder. Wie gerne ich Kinder hätte! Aber ist das nicht total utopisch? Ich? Als Mutter? Und wenn ich diese Gedankenspirale weiterdenke, lande ich dann ganz schnell wieder bei den Selbstmordgedanken...
Wie viel Raum gebt ihr euren Krankheiten in eurem Leben? Und wie viel fordern sie? Wie geht ihr mit den Einschränkungen um, wie lernt ihr, sie zu aktzeptieren?
Gibt es vielleicht sogar Personen hier, die einen Behindertenausweis aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen haben?
Ich würde mich sehr über Austausch freuen!
Ganz liebe Grüße!
nach vielen Jahren bin ich nun mal wieder hier. 2009 hatte ich einen Totalzusammenbruch, konnte am Ende mein Bett nicht mehr verlassen, weil ich Sorge hatte umzukippen, und nichts mehr essen, aus Angst zu ersticken. Ich musste alles abbrechen: Mein Studium, die WG in der Studienstadt. Ich bin zurück zu meiner Mutter gezogen und dann mit Cipralex, Tafil und Lorazepam als Notfallmedikament behandelt worden, außerdem habe ich 5 Jahre lang Verhaltenstherapie gemacht. Die Diagnosen kamen Schlag auf Schlag: Panikattacken, Agoraphobie, generalisierte Angststörung, Depressionen. Und als Krönung - ein riesen Schock für mich - dann noch die Diagnose Borderline Persönlichkeitsstörung.
Inzwischen ist die maximale Anzahl an Therapiesitzungen vorerst ausgeschöpft, ich muss zwei Jahre warten und kann in dieser Zeit einmal pro Quartal eine Sitzung bei meiner Therapeutin wahrnehmen. Dem Gefühl nach habe ich alles versucht. Und es geht mir besser, viel besser. 2009 war mein großes Ziel, irgendwann wieder eine Runde mit meinen Hunden in den angrenzenden Park gehen zu können. Mehr habe ich mir für mein Leben nicht vorstellen können, allein für eine solche Runde wäre ich unheimlich dankbar gewesen. Mit der Therapie machte ich große Fortschritte, innerhalb eines Jahres hatte ich wieder einen halbwegs normalen Alltag, der Spaziergänge, Einkäufe und auch teilweise Besuche bei Freund_innen beinhaltete. Dann wagte ich ein neues Studium, eine Stunde Bahnfahrt pro Strecke. Es klappte! Ich gewann die naive Hoffnung, irgendwann doch nochmal ein normales Leben führen zu können. Mitunter vergaß bzw. verdrängte ich meine Krankheiten sogar.
Doch es kamen Rückschläge. Vor allem dann, wenn ich mich überforderte oder Kontakt zu bestimmten Personen aus meiner Vergangenheit hatte. Zwischendurch hatte ich wieder das Gefühl, auf Null zurückgeworfen zu werden. War wütend. Ich habe so viel versucht, so hart gekämpft - wieso reicht das nicht?! Wieso hört es nie auf?! Wieso ich?...
Ich lernte dazu. Lernte, Vorzeichen wahrzunehmen und zu deuten. Lernte, Nachsicht mit mir selbst zu haben. Ich studiere jetzt seit 10 Semestern in einem Bachelor, der auf 6 Semester ausgelegt ist. Und ich bin noch nicht fertig. Mein Schnitt ist gut (ich hoffe mit einem Abschluss von schlechtestens 1,3), aber ich brauche ewig. Zum Teil falle ich ganze Semester lang aus, weil die Angst, Panik und die Depressionen wieder da sind.
Seit 1,5 Jahren hat sich mein Zustand verschlechtert. Ich habe wieder starke Depressionen mit Selbstmordgedanken. Das hatte ich seit meiner Jugend nicht mehr. Meine Therapeutin rät mir zu einer Tagesklinik für Bordlerinebetroffene. Ich habe Kontakt aufgenommen, Bögen ausgefüllt, Mails geschrieben. Was fehlt ist ein Anruf. Den ich seit Monaten nicht bewerkstelligt kriege. Und dann die Zweifel: Wie soll ich dort jeden Tag mit der Bahn hinfahren? Was, wenn in genau der Zeit die Angst wieder kommt? Und: Was ist mit meinem Studium? Wo soll ich denn da noch einen Tagesklinikaufenthalt unterbringen? Ich will doch endlich mal fertig werden... Also versuche ich, durchzuhalten. Vielleicht halte ich es ja zumindest bis zu meinem Abschluss durch und kann mir danach eine Therapiepause gönnen?
Mit 26 kam ich mir, zurück in meinem Kinderzimmer bei meiner Mutter, wie eine totale Versagerin vor. Meine Depressionen waren zu der Zeit sehr stark, ich wusste ich muss was ändern. Die Wohnung unter der Wohung meiner Mutter wurde im Dezember 2014 frei. Ich mietete sie an. Das bedeutete aber auch: arbeiten. Ich hatte bereits zwei Jobs an der Uni, allerdings komplett selbstorganisiert. Hier hinterfragte niemand, wenn ich mal ein paar Tage ausfiel. Ich musste mich nicht rechtfertigen, zum Teil bekam es nichtmal jemand mit. Ich suchte mir einen dritten Job (wieder an der Uni), diesmal mit festen Bürozeiten und einer direkten Vorgesetzten. Es stresste mich extrem. Plötzlich kehrten körperliche Erkrankungen wieder, die früher fest zu meinem Leben gehört hatten, mit denen ich aber seit Jahren keine Last mehr gehabt hatte. Blasenentzündungen. Magenschleimhautentzündungen. Ohrgeräusche. Meine Chefin erwartete viel von mir. Ständige Verfügbarkeit, unbegrenzte Überstunden. Ich suchte mir einen anderen Job und kündigte.
Seit Dezember muss ich nun schon nicht mehr arbeiten, weil ich so viele Überstunden angehäuft hatte. Am 01.02. beginnt mein neuer Job. Ich habe Angst. Was, wenn ich es nicht schaffe? Ich habe soziale Ängste. Angst vor der Fahrt. Angst, dass irgendwer raus- oder mitbekommt, wie verrückt ich bin. Wie soll ich das schaffen? Und dann noch mein Studium nebenher...
Ich kriege Zweifel. Was, wenn ich doch nie ein normales Leben werde führen können? Ich bin nicht belastbar. Ich bin nicht flexibel. Reisen sind der absolute Horror für mich. Aber all das wird in dem Bereich, den ich beruflich machen könnte/ würde/ möchte erwartet. Sackgasse.
Zum ersten Mal denke ich wieder darüber nach, wie ich mir ein Leben um die Krankheit herum aufbauen könnte. Ich hätte so gerne einen richtigen Job. Ohne Geldsorgen. Und Kinder. Wie gerne ich Kinder hätte! Aber ist das nicht total utopisch? Ich? Als Mutter? Und wenn ich diese Gedankenspirale weiterdenke, lande ich dann ganz schnell wieder bei den Selbstmordgedanken...
Wie viel Raum gebt ihr euren Krankheiten in eurem Leben? Und wie viel fordern sie? Wie geht ihr mit den Einschränkungen um, wie lernt ihr, sie zu aktzeptieren?
Gibt es vielleicht sogar Personen hier, die einen Behindertenausweis aufgrund ihrer psychischen Erkrankungen haben?
Ich würde mich sehr über Austausch freuen!
Ganz liebe Grüße!
07.01.2016 10:52 • • 11.01.2016 #1
6 Antworten ↓