Hallo, ich benutze die velibra App schon seit einigen Wochen. Die Übungen sind wahrscheinlich sinnvoll, kritisieren muss ich aber die Aufmachung und Philosophie von velibra, dabei habe ich noch nicht ganz 1/3 des Programms durchgearbeitet.
Beim Benutzen der App ist mir folgendes aufgefallen:
- die App ist nicht geschlechtsneutral
- die Stimme bei Hörproben ist eine männliche
- Beschreibungen von Szenen schließen sehr oft Geschlechter aus, die nicht männlich sind, sodass es schwer fällt sich als Nicht-Männliche-Person in die Szenen einzudenken.
- die App diskriminiert Frauen: in einer Hörprobe sollen die Hörenden sich vorstellen sie hätten einen Kuchen gebacken und diesen mit ins Büro genommen, unter Angst, dass er den Kollegen und Kolleginnen nicht schmecken könnte. Als der Kollege Werner diesen probiert ist er begeistert von dem Geschmack des Kuchens und sagt: du könntest meiner Freundin mal beibringen wie man einen guten Kuchen backt. Der Sprecher sagte mir dann, dass ich jetzt lächle und mich entspanne, auch wenn ich Werners Aussage etwas ungeschickt fand. Ich höre also die Hörprobe und warte auf einen positiven Ausgang, damit sich mein Gehirn neu konditioniert und damit meine Ängste im Laufe des Trainings kleiner werden. Dieser positive Ausgang stellt sich aber nicht ein, weil der Chauvinist Werner (der offensichtlich glaubt, dass Kuchenbacken die Aufgabe einer Frau, also seiner Freundin sei) Frauen diskriminiert und mir gleichzeitig vorgesagt wird, dass ich mich dadurch besser fühlen soll.
- Die Hörenden sollen sich regelmäßig in folgende oder ähnliche Situation einfühlen: bevorstehendes Meeting, bevorstehende Konferenz, bevorstehende Prüfung, im eignen Auto, im eignen Haus, gemeinsam mit dem Partner. Die Auswahl an Szenen, in die ich mich einfühlen soll, ist also begrenzt. Ich muss nicht erwähnen, dass Menschen existieren, dessen berufliche Aufgabe es ist z.B. Toiletten zu putzen, ohne Prüfung und ohne Konferenz, oder die gar keinen Job haben. Wie sollen diese Menschen sich in dieser App wiederfinden und in die Szenen eindenken? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut klappt. Somit ist zu sagen, dass die App womöglich Menschen ausschließt, nämlich mit dieser Auswahl an privilegierten und nicht für jeden Menschen selbstverständlichen Alltagssituationen.
Fazit: die App vermittelt ein sehr kapitalistisches Bild von der Welt, das sehr viele Menschen ausgrenzt und den Zugang zu den Übungen erschwert bzw. unmöglich macht. Die App scheint mir für oder von einer gutgestellten männlichen Oberschicht entwickelt worden zu sein, die Sexismus und Diskriminierung nicht hinterfragen. Wer sich an solchen überholten Denkmustern stößt, oder nicht der genannten sozialen Schicht angehört, sollte sich das Programm sparen.
18.02.2022 17:16 •
x 1 #3