Danke für Deine Antwort.
Ihr kennt Euch nun schon fast ein halbes Leben lang, habt gemeinsam Krisen durchlebt und jeder hat seine Rolle teilweise auch
diesen Krisen entsprechend etabliert.
Das bedeutet, dass Du gewissermaßen
mit ihm leidest und somit ein klein wenig sein Leid verstärkst (Co-Leiden). Dafür braucht man sich aber nicht schuldig zu fühlen, denn das Mit-Leid entspringt ja letztlich unserer Zuneigung zu dem Betroffenen. Einerseits stabilisierst Du ihn, andererseits muss er Deine Leistung quasi mitverantworten.
Ich weiß nun nicht, ob Ihr darüber schon mal gesprochen habt - über Eure jeweiligen Rollen hinsichtlich Euer beider psychischen Probleme?
Ähnliches gilt für die Angst. Leid kommt
von etwas, Angst bezieht sich
auf etwas. Beides ist sozusagen objektgebunden. Der Geist richtet sich - je nach Häufigkeit bzw. Intensität der Erfahrung(en)
auf etwas aus. Die allermeisten Ängstler können gar nicht mal konkret das ursprüngliche Objekt ihrer Angst benennen. Weshalb? Weil sie die Angst
im Geist wie eine Brille auf der Nase tragen. Sie blicken
durch die Angst, denken
aus Angst heraus. Und erkennen in diesem Zuge das (vermeintlich) gefährliche
Objekt als den mittelbaren Auslöser.
Irgendwann wird diese Wahrnehmung ein Selbstläufer, er wird riesengroß, allumfassend und - vor allem - abstrakt. Du nennst das z. B. sympathischerweise den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Doch, wie vorher bereits angedeutet, ist das
Fass (= der Angst-Brillen-Ausblick), also das Subjekt, der alles entscheidende Punkt.
Um hier etwas klarer zu sehen, kann ein Spiegel-Gleichnis helfen. Wenn Du in einen Spiegel schaust,
was siehst Du da?
Die häufigste Antwort lautet: Mich. Doch das trifft nicht zu. Was dann?
Mein Spiegelbild bzw. den Spiegel. Schon besser. Doch am zutreffendsten wäre m. E. nach:
Ein Bild von dem, was der Spiegel reflektiert!Und was ist das? Eben das, was der Spiegel anhand
Deiner Blickrichtung darin wahrnimmt. Wenn Du z. B. nicht direkt vor dem Spiegel sondern 1,5 m weiter links davon stehst, wirst Du etwas völlig anderes sehen als von einem 1,5 m weiter rechts liegenden Punkt aus. Wir definieren und bedingen also in vollumfänglichen Maße den Inhalt der Spiegelung.
Das war nun ein Beispiel für den Sehsinn. Du kannst mit dem Spiegel auch Geräusch, Gerüche, Geschmäcker, Gefühle und Gedanken wahrnehmen. Auch sie sind bedingt durch Deinen Standpunkt (= die Ausrichtung des Geistes).
Der Spiegel ist hier eine Metapher für unseren Geist; für das, was wir gemeinhin Ich nennen. Was lernen wir nun daraus?
- Wir bestimmen unsere Umwelt (geben ihr eine Stimme)
- Wir bestimmen ihren Umfang, ihre Grenzen
- Wir bestimmen dadurch auch unsere Grenze (unser Ich)
- Wir haben die Möglichkeit, Ausschnitte des nahezu unbegrenzt möglichen Spektrums von Wahrnehmung als Realität zu
benennen.
Wenn Du also aufgrund einer Erfahrung (z. B. Psychose Deines Mannes) wieder Dein etabliertes Weltbild erschaffst, denke daran, dass dies lediglich ein Automatismus ist. Die Vergangenheit ist längst passé. Der Glaube bzw. die Angst davor, dass es wieder passieren oder immer so bleiben könnte, ist ein eingeübter Standpunkt vor Deinem Spiegel.
Ziel ist es, den Spiegel nicht als Objekt zu benutzen, sondern zu verstehen, dass beides, also Subjekt (Ich) und Objekt (Spiegel und seine Bilder) in Wahrheit Illusion sind. Denn letztendlich sind es immer wir, also der Geist, der spiegelt.
Kein Innen, kein Außen, kein Ich, keine Welt - sondern
einfach so.
Das mag sich abstrakt lesen, aber mit einiger Kontemplation kann das verstanden und auch in gewisser Weise durchdrungen werden. Dann ist eine Psychose Deines Mannes
einfach so. Dann ist sogar Deine Angst davor,
einfach so.