nachdem mir hier schon sehr geholfen wurde, möchte ich Euch sehr gerne noch eine andere Frage stellen.
Ich habe festgestellt, dass ich eine Baustelle habe, die mir Schwierigkeiten bereitet: Ich suche bei bestimmten Themen sehr stark nach einer 100%-igen Sicherheit. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn mir die Themen Angst machen, weil sie mich (gefühlt) in meinen Grundfesten erschüttern. Die Erkenntnis klingt einfach und logisch, aber dafür habe ich nun doch viel Zeit gebraucht Das Problem ist nämlich, wie ich damit umgehe: Wenn mir etwas Angst macht, dann möchte ich ausschließen, dass diese Angst begründet ist. Das sieht dann wie folgt aus:
Situation A macht mir Angst. Nun will ich alles ausschließen, was mich daran erinnern könnte oder sogar bestätigen könnte, dass A begründet ist. D.h. ich versuche alles, was mit A zu tun hat (Gegenstände etc.), loszuwerden. Zusätzlich mache ich nun etwas sehr Spannendes: Ich suche nun nicht nach Punkten B, die mich darin bestärken würden, dass A gar keine Angst machen muss und ich beruhigt sein könnte. Das reicht mir nicht. Stattdessen fokussiere ich mich auf all das C, was eigentlich bestätigt, dass A zutreffen könnte und versuche nun diese C zu widerlegen. Weil nur die B alleine genügen mir als Beweis nicht. Das wäre zu einfach, weil es könnten ja auch die C zutreffen. D.h. ich habe erst dann meine 100%ge Sicherheit, wenn ich die C widerlegt habe. Und der Schuss geht leider total nach hinten los. Weil es passiert folgendes:
1) Ich fokussiere mich nur auf die Punkte, die mich darin bestätigen, dass ich mir tatsächlich Sorgen machen muss (A könnte ja offenbar wirklich zutreffen)
2) Ich finde immer mehr Punkte, die mich darin bestätigen, d.h. die Angst vergrößert sich
3) Ich kann gar nicht alle C widerlegen, weil das nicht immer geht. D.h. ich kann 100 Punkte für B haben und eines für C, das ich nicht widerlegen kann. Und damit ist für mich klar, dass A zutreffen kann und damit komme ich dann nicht klar.
Diese Problematik trifft vor allem bei den Dingen zu, die stark mit mir und mit sehr starken Moralvorstellungen verbunden sind.
Ein Beispiel:
Angenommen ich werde auf der Straße von jemandem überholt, der mir dabei fast ins Auto fährt. Aus der Situation heraus hupe ich völlig panisch, ggf. vielleicht sogar etwas zu viel, weil ich so unter Adrenalin stehe. Nach der anfänglichen Aufregung kommt dann vielleicht ein Gedanke in der Form: War das überhaupt von mir berechtigt? Und dann könnten folgende Gedanken kommen: Was ist, wenn der mich nun anzeigt, weil er sich zu unrecht behandelt gefühlt hat? Ich fahre aber doch immer vorbildlich und will niemandem etwas Böses (mein Selbstbild, meine Werte). Das passt doch gar nicht zu mir, das will ich nicht sein.
Und mit dem Ende der Kette ist eine Angst geschaffen, was eventuell interpretiert werden könnte. In dem Fall dieses: Ohje, ich bin doch immer nett. Das darf so nicht sein. D.h. ich habe Vorstellungen davon, was ich sein darf und was mir passieren darf. Und mit dem Das darf so nicht sein wird die folgende Maschine bei mir in Gang gesetzt:
Ich suche nun nicht nach Gründen B, die erklären, dass das so niemals eintreten wird, weil er ja schließlich im Unrecht war. Ich suche stattdessen (ggf. auch online) nach Fällen C, die vielleicht genau so etwas schildern. Und wenn ich diese Fälle alle widerlegen kann, ist auch meine Angst unbegründet. Dann habe ich meine 100% Sicherheit, ggf. sagt sogar ein Jurist, dass das so nie eintreten wird. Aber ich finde natürlich genau das Gegenteil: Ich finde durchaus vielleicht Freunde, Bekannte, Internetartikel etc. (ggf. auch meine eigenen Schlussfolgerungen), die darlegen: Naja, mit einem gewissen Prozentsatz könnte man das schon so interpretieren. Die Reaktion war übertrieben, d.h. man könnte das auch so auslegen, ist ja auch immer eine Frage der Sichtweise. Und damit schießt bei mir die Angst erst Recht in die Höhe. Denn einige sagen ja, das könnte tatsächlich so passieren.
Und aus dem Karussell komme ich nicht mehr raus. Ich suche jetzt immer weiter und frage Freunde und Bekannte. Am liebsten würde ich direkt zu einem Anwalt fahren, der mir bestätigt, dass das so nie passieren wird.
Und solche Beispiele habe ich noch einige.
Was ich möchte: Ich möchte nicht den Fokus auf die C sondern auf die B legen. Ich möchte nicht überlegen, was meine Angst noch weiter begründet und das versuchen zu widerlegen, sondern ich möchte versuchen, den Fokus auf das zu lenken, was eigentlich dafür spricht, dass das nicht der Fall sein wird.
Ich habe nur leider keine Idee, wie ich da ran gehen könnte. Denn das ist ja ein Automatismus bei mir. Ich sehe die B ja gar nicht, ich sehe fast nur die C. Das Angstgefühl bleibt auch solange bis ich alle C widerlegt habe.
Habt Ihr eine Idee, was ich hier machen könnte?
Ich würde mich sehr über Ideen von Euch freuen Danke schonmal im Voraus!
Tex
25.12.2021 16:48 • • 05.01.2022 #1