Hallo Vergissmeinnicht,
Danke für den Link.
Ich werde deinen Beitrag über deinen Angstweg wohl noch mehrmals lesen, um zu begreifen was du durchgemacht hast und wo du heute stehst.
Ich bin überzeugt davon, dass du immer wieder aufstehen wirst, wenn du hingefallen bis; mal etwas schneller, mal etwas langsamer und mühevoller - mal mit eigener Kraft, mal mit Hilfe von außen. Du bist schon eine sehr starke Person, denn du kämpfst dich immer wieder nach oben und versuchst das Positive in deinem Leben zu finden.
Mit deinem Beitrag zeigst du anderen, das es sich lohnt zu kämpfen um ein lebenswertes Leben zu führen, auch mit Krankheiten und Krisen.
____________________________________________________________________________________________________________
HWS, BWS, LWS,
oh ja, davon kann ich auch ein Lied singen.
Ich bin jetzt 60 J. alt. Angefangen haben meine Rückenprobleme im Alter von 17 Jahren, 1972, während meiner Lehrzeit. Zuerst immer wieder Probleme im LWS - Bereich, später BWS - und HWS - Bereich, verkrampfte Rückenmuskeln, verspannte Wirbelsäule, ausgerenkte Wirbel.
Spritzen, Voltaren Dispers, Wirbel einrenken, Ultraschal, Rotlicht, Streckbank, Krankengymnastik.......... und immer wieder Wirbel einrenken. Anfang 1990 wurden mir in einem Jahr 16 Mal Brust und Lendenwirbel eingerenkt. Hab oft tagelang im Bett gelegen, Stufenlage, konnte mich kaum bewegen, bin durch die Wohnung gekrochen.
Behandelnde Ärzte waren mein Hausarzt, der auch eine chiropraktische Ausbildung hatte und verschiedene Ortophäden. Mitte 1990 bin ich zu einem älteren Ortophäden, gegangen, er war schon über 70 Jahre alt, eigentlich längst im Ruhestand, machte Urlaubsvertretung in seiner museumsreifen Praxis, mein Hausarzt war im Urlaub. Der fragte mich als erstes nach meinen Ess - und Trinkgewohnheiten, wieviel Fleisch und Alk. ich konsumiere. Ich war damals ein starker Fleischesser und hab zeitweise reichlich Alk. getrunken, es gab ständig etwas zu feiern.
Dann wurde ein Röntgenbild gemacht. Seine Diagnose: Harnsaüreablagerungen in den Rückenmuskeln ( Gicht? ), das Röntgenbild sah aus als hätte ich eine leichte Raucherlunge, überall dunkle Schatten, die Muskeln waren total verhärtet und eine beginnende Verkrümmung der Brustwirbelsäule, ähnlich einem Scheuermann - Syndrom.
Ich war damals schon selstständig, hab eine kleine Werkstatt, heute noch, hab damals bis zu 70 Std. i.d.Woche gearbeitet, sehr viel im sitzen, kleine Werkstücke auf meine Arbeitsschürze - auf meine Oberschenkel gelegt und bearbeitet - stundenlang. Viel Arbeit, viel Stress, Eheprobleme, Schulden, ......
Junge, sagte er, so machst du dich kaputt.
1. Ändere dein Essverhalten,
weniger Alk., weniger Fleisch, du brauchst nicht ganz drauf verzichten, das Leben soll lebenswert bleiben; vor allem, weniger
Schweinefleisch, lieber Geflügel, Rind oder Wild, mind 1 mal i.d.W. Fisch, Lachs , Hering....., mehr Salt, Gemüse......, viel Wasser
trinken...
2. Ändere dein Arbeitsverhalten und deinen Arbeitsplatz,
Arbeite nur noch wenn es sein muß im sitzen, mit dem Werkstück auf deinen Oberschenkeln, max. 15 Min. a. Stück
Arbeite nur noch wenn es sein muß im sitzen, mit dem Werkstück auf der Arbeitsplatte, max. 30 Min.a. Stück (Schreibtischhöhe)
und schmeiß deinen Arbeitsstuhl mit Rückenlehne weg, der macht einen faulen Rücken, setz dich, wenn es schon sein muß, auf einen
Hocker ohne Lehne aber mit Rollen. Du must dich dann aus eigener Kraft aufrichten um deinen Rücken auszurichten.
Richte dir einen zusätzlichen Arbeitsplatz ein, an dem du im stehen arbeiten kannst, Arbeitsplatte in der Höhe zwischen Brustbein und
Bauchnabel, so das du die Unterarme auflegen kannst.
Arbeitsgeräte, Materialien, die du mehrfach am Tage benötigst, deponiere so, dass du aufstehen, dich drehen , bücken, laufen oder dich
recken must, um an sie ran zu kommen. Bewege dich.
3. Wenn du merkst, dein Körper fängt an sich zu verspannen, schließ die Werkstatt ab und lauf, leg dich nicht hin. Geh raus in die
Natur, ist ja sowieso der Platz wo du dich am wohlsten fühlst. Reck dich, pflück Blätter oder Obst von den Bäumen, beweg dich, so gut
du kannst, denk an etwas schönes, genieß die Natur, die frische Luft, atme tief ein und aus und lauf. Und------- hör auf deinen Körper,
hör in dich rein, dann wirst du selber herausfinden was gut für dich ist.
Noch eins, deine Wirbelsäule ist geschädigt, aber du kannst damit relativ schmerzfrei alt werden, wenn du auf deine Körper hörst.
Ich hab das alles umgesetzt, mehr oder weniger konsequent, ich denke so zu 60 -70%.
Das erst Jahr war manchmal die Hölle. Ich war es nicht mehr gewohnt gerade zu stehen oder ohne Rückenlehne gerade zu sitzen. Häufig fing schon nach wenigen Minuten der Rücken an zu schmerzen. Ich hab dann, wenn es die Zeit erlaubte, die Arbeit liegen lassen und bin gelaufen. Nicht immer, aber meistens hat es geholfen.
Die Besuche bei meinem Hausarzt, - Wirbel einrenken, wurden mit der Zeit deutlich weniger und meine Lebensqualität verbesserte sich.
Ich hab dann meinen Hausarzt gewechselt, ( weg. einer ganz üblen Geschichte , erzähl ich später vielleicht mal)
Mein neuen Hausarzt, bei dem ich heute noch bin, kenne ich seit dem Kindergarten.
Ich glaub es war 1996, eines morgens, komm alleine kaum aus dem Bett, wahnsinnige Rückenschmerzen linksseitig, bis in die Zehen, kann kaum laufen. Nimm eine Voltaren, trink Kaffee um erst mal zu mir zu kommen, dann geht's etwas besser, ab zum Arzt. Mein Hausarzt hat Urlaub, ich gehe zu einer Vertretung. Ich sage ihm, dass ich einen Bandscheibenvorfall vermute.
Nein - kein Bandscheibenvorfall - Lendenwirbel raus. Spritze- einrenken - Tabletten - das übliche. Beim einrenken - ich schrei vor Schmerzen, ich heule, DAS hatte ich noch nicht. Tja - da müßen Sie jetzt durch.
Jeden Tag Spritzen und Tabletten. In den nächsten drei Tagen verschlimmern sich die Schmerzen und die mittleren Zehen im linken Fuß werden taub. Ich rede nochmal mit dem Arzt, er wird ruppig, NEIN - KEIN BANDSCHEIBENVORFALL. Durch die Blockade hat sich ein Nerv entzündet und die Muskulatur verkrampft natürlich, Sie hätten früher kommen müßen, jetzt dauert es eben.
4. Tag - ich spür mein linkes Bein kaum noch.
5. Tag - ich kann mir in den Po und ins Bein kneifen, spür nix mehr. Was jetzt - Krankenhaus - nein - morgen ist mein Hausarzt zurück.
6. Tag - meine Frau fährt mich zum Arzt. Ich komm in die Praxis, geh auf die Rezeption zu, da kommt mein Arzt, sieht mich - Himmel,
was hast du denn, Bandscheibenvorfall ? Endlich, etwas greifbares.
Ich erzähl ihm die Geschichte. Das kann doch wohl nicht war sein!
Innerhalb einer Stunde war ich im CT.
Dann kam die Diagnose der Ärztin: Sie haben einen akuten Bandscheibenvorfall, der aber gut konservativ zu behandeln ist, machen Sie sich keine Sorgen. ( Sie sollte Recht behalten ).
Gut, damit kann ich leben.
Dann: Aaaaaaber, Sie hatten ja schon mal einen Bandscheibenvorfall, der wohl nicht therapiert wurde, muß einige Jahre her sein und über einen langen Zeitraum starke Schmerzen verursacht haben. Wird Ihnen in Zukunft aber keine Probleme mehr bereiten, denn die Bandscheibe existiert quasi nicht mehr, ist vom Körper resorbiert. Die Wirbelkörper sitzen fest aufeinander. Unglaublich das das kein Arzt bemerkt hat, und unglaublich das Sie das so durchgestanden haben.
Und - ihre Wirbelkörper sind teilweise, trotz einer guten Knochensubstanz, in einem nicht besonders gutem Zustand. An Ihnen muß über Jahre viel rumgedrückt worden sein.
Ich mußte mich erst mal setzen.
Nach der Bandscheibenbehandlung, jeden Tag 1 Std. an den Tropf, laufen und mich vorsichtig bewegen, nicht arbeiten, Stress vermeiden, Ruhe , Musik hören, entspannen, - ich glaub es hat ca .14 Tage gedauert, war ich wieder stundenweise arbeitsfähig.
Dann ging es mit meinem Rücken eigentlich nur noch bergauf, war ab dem Jahr 2000 nur noch sehr selten beim Arzt. Ich versuche seit dem Bandscheibenvorfall möglichst konsequent umzusetzen, was mir der alte Orthopäde ans Herz gelegt hatte und zu ca.80% gelingt mir das bis heute.
Als ich meinem Hausarzt von dem Orthopäden erzählte, grinste er mich an und erzählte mir, das er ihn sehr gut gekannt hatte. Er kam ursprünglich aus dem gleichen Ort wie wir beide. Das wußte ich nicht. Ja, das Münsterland ist eben nur ein Dorf.
2010 bin ich dann in ein Loch gefallen, aus dem ich mich bis heute nicht befreit habe. Dazu möchte ich aber hier und jetzt nichts schreiben. Auf jeden Fall wurden die Rückenschmerzen wieder häufiger und stärker, hab mich auch ziemlich hängen lassen, hatte keine Kraft.
An einem Tag, bei der Arbeit keine Rückenprobleme , aber leichte Schmerzen unterm Brustbein, hab mir erst nix dabei gedacht. Dann, innerhalb einer Stunde, sich schnell verstärkende Schmerzen, gefühlt links unterm Brustbein an den Rippenansätzen, wie Messerstiche.
Ich bekomm Schweißausbrüche, meine Hände zittern, mir ist schlecht, Atemnot, meine Armvenen schwellen an.
Mein Gedanke - Herzinfarkt - ganz klar ein Herzinfarkt - du bist jetzt 55, dein Vater hatte mit 58 seinen ersten Herzinfarkt - dann Schlaganfall - dann mit 66 2. Herzinfarkt -AUS!
Ich hab Angst - Todesangst - Panik, setz mich ins Auto und rase zu meinem Hausarzt ( warum nicht ins Krankenhaus ? Vertrauen? )
Komm sofort dran. Er guckt mich an, klatscht mir mit der flachen Hand zweimal liebevoll ins Gesicht, lächelt mich an und sagt: Du hast keinen Herzinfarkt, So wie du hier stehst ,tipp ich auf einen oder mehrere blockierte Brustwirbel. Häufig hat man dann keine Schmerzen im Rücken, sondern die Schmerzen strahlen über die Rippenbögen bis in die Brust. Man denkt natürlich, - Mist, mein Herz -. man bekommt Panik, hyperventiliert, der Blutdruck steigt, die Adern schwellen an, noch mehr Panik......
Er hat die Wirbelsäule abgetastet und hatte schnell 3 Übeltäter ausfindig gemacht. Die Behandlung war dann nur noch ein Sache von Minuten.
Ich hab diese Blockaden in der Form noch 2 Mal gehabt und mußte zum Arzt, aber ohne je wieder in Panik zu geraten.
Alle weiteren Rückenproblem habe ich im Moment mit meiner beschriebenen Selbsttherapie ganz gut im Griff.
Ich bin seit meiner Kindheit immer sehr viel in der Natur gewesen, war auch leicht, ich wohnte und wohne immer noch, auf dem Land. Nur wenige hundert Meter laufen und ich bin in der Natur.
2011 habe ich das Wandern für mich entdeckt.
Ich bin im April 2011 mit einer geführten Gruppe 4 Tage durch die Eifel gewandert, von Unterkunft zu Unterkunft , mit 17kg Gepäck im Rucksack, bei strahlendem Sonnenschein, Schneeregen, +5° bis - 8° bergauf - bergab.
2 Tage vorm Start war ich beim HNO. Trockenheit und Kratzen im Hals. Er gab grünes Licht. Unterschiedliche Etappen, bis zu 26 km am Tag, insgesamt 96 km in 4 Tagen. ab dem 3. Tag konnte ich kaum noch sprechen, die Stimmbänder versagten, der Hals war dick, Luftnot.
Aber ich wollte diese Wanderung schaffen, für mich.
Meine Stimmbänder haben sich erholt, spreche heute etwas kratziger.
Ich habe gewaltige Belastungen hinter mir und gewaltige Probleme vor mir, habe mit vielen Ängsten zu kämpfen gehabt und jetzt wieder neue Ängste. Versagensängste, Zukunftsängste, Ängste zu erkranken, - keine Angst vor dem Tod - wohl Angst vor dem Sterben, dass es lange dauern könnte.
Heute versuche ich, jeden Tag 1 Std. zu laufen, alleine, für mich, ohne Stress; und 1 Std. mit meinen Hunden.
An den Sonntagen versuche ich, Zeit zum Wandern zu finden, 10 - 25 km, je nach Zeit, Lust und Laune, im Moment immer alleine, nicht in der Gruppe, habe keine Lust mich zu unterhalten.
Ich versuche das alles umzusetzen, klappt aber nicht immer.
Vielleicht kann irgend jemand von euch etwas Positives aus meinem Bericht für sich mitnehmen, wenn nicht, auch o.k.
Ich hab mir auf jeden Fall etwas von der Seele geschrieben.
Danke, und alles Gute
01.09.2015 14:06 •
x 4 #52