Ein konkretes Ereignis gibt es nicht. Ich glaube, dass es ein ganz seltsames Konglomerat verschiedener Dinge ist, die sich in der Postangst ein Ventil suchen.
Nachdem ich von zu Hause ausgezogen war und meinen Kram selbst machen musste, war ich das nicht gewohnt und mit der Situation überfordert. Ich bin sehr behütet aufgewachsen. Dazu kam, dass ich meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen wollte, und so war ich im Studium extrem sparsam. Das hat die Angst irgendwie mit gefördert. Genau erklären kann ich es aber nicht.
Finanziell geht es mir eigentlich gut. Aufgrund meiner Behinderung habe ich aber enorme Angst, irgendwann nicht mehr arbeiten zu können (danach sieht es aber überhaupt nicht aus, mir geht es ganz gut) und finanziell in Not zu kommen. Ich habe extreme Angst vor finanziellem Abstieg und Armut, aus dem Netz zu fallen, abhängig und ausgeliefert zu sein.
Und damit kommen wir zum letzten und sicher mit Abstand wichtigsten Punkt: Wie manche von euch wissen, hatte ich als kleines Kind mehrere Krankenhausaufenthalte mit z. T. gravierenden operativen Eingriffen. Das waren sehr schlimme Erfahrungen, die bis tief ins Unterbewusstsein reichen, und ich bin bis heute davon traumatisiert. Aufarbeiten konnte ich nur einen Teil, der Rest liegt zeitlich vor dem Sprach- und Erinnerungsvermögen, hier komme ich nicht ran. Ein Kleinkind versteht das alles ja gar nicht, es hat nur Angst. Meine GAS hat dort ihren Ursprung. Aus dieser Zeit ist das Gefühl entstanden, sich ohnmächtig und ganz schnell ausgeliefert zu fühlen, und sich nicht wehren zu können. In meinen schlimmsten Phasen glaubte ich, dass ein Monster über mich herfällt, in dem Moment, wo ich den Brief öffne. Das Monster ist für mich gleichbedeutend mit den Ärzten, die damals Macht über mich hatten.
Das alles mag vielleicht merkwürdig klingen, aber ich habe es für mich in langer Selbstanalyse herausgefunden, und für mich ist es schlüssig.
Diese ganzen Ängste verbinden sich in der Postangst, sie ist ein Ventil, ein verbindendes Element. Ein Punkt ist auch folgender: Die Briefe sind passiv, sie schweigen, es ist nur Schrift auf Papier. Sie werden nicht aktiv, wenn ich sie liegen lasse. Ich muss aktiv werden. Das kleine Kind hat in seiner ganzen Angst nur gelernt, alles zu ertragen, sich szs
tot zu stellen. Und genauso reagiere ich auch als Erwachsene bei den Briefen, die mich so ängstigen.
In der Kommunikation mit Menschen ist es anders. Dort herrscht Aktivität, und ich kann aufkommende Angst viel schneller wieder einfangen und im Zaum halten.
Könnt ihr das verstehen?
19.12.2022 21:56 •
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