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hi lilly

ich möchte gerne auf eine aussage von dir zurückgreifen, die mir eben zu dieser überlegung in diesem thread anlass gegeben hat.

Zitat:
Ich hätte Bäume ausreissen können und das hätte mir genügt.


woher weisst du das? darum drehen sich ja meine gedanken. um es auf mich zu münzen, können hätte ich es allenfalls, aber hätte ich es mir zugetraut?

und da liegt für mich die wurzel. wir können alle sehr viel, aber haben wir auch das gesunde selbstvertrauen, es mit der konsequenz des möglichen scheiterns zu wagen?

genau da überlege ich mir, ob die angst nicht ein schutzschild baut. wir probieren gar nicht aus, was wir können... wir verzagen oftmals vorher. das ist doch für die angst ein gefundener nährboden, um sich zu chronifizieren, denn sie erfüllt ja ihren zweck.

saorsa

Hallo Saorsa,

jetzt merke ich, wie schwer es ist zu erklären, was ich meine. Ich kenne all Eure Gedanken, weil ich sie ja auch habe oder hatte. Und wie gesagt, habe ich mir die Fragen Was hat meine Angst für einen Sinn?, Was würde ich anders machen, wenn ich keine Angst hätte? und Würde ich überhaupt etwas anders machen, wenn ich keine Angst hätte?, Würde ich es mir zutrauen? tausend Male gestellt.
Dieser eine Tag zeigte mir jedoch, dass sich all diese Fragen gar nicht mehr auftun, wenn ich keine Angst habe. Ich bin einfach, ich tue einfach, ich lebe. Würde dieser Zustand länger anhalten, glaube ich nicht, dass ich automatisch Großartiges anstreben würde. Dann wäre meine Verfassung ja eher mit eine Manie zu erklären. Doch ich würde viel mehr Dinge in Erwägung ziehen, die bisher einfach schlichtweg undenkbar waren und ich abgehakt hatte in all den Jahren. Und ich würde viele Momente des Tages intensiver erleben, im Jetzt leben, genießen und abschalten können. Und all das, was ich jetzt schon tue und was mich immer wieder sooooo viel Kraft und Überwindung kostet, wäre leichter, vielleicht selbstverständlich.

Aber letztendlich geht es mir nicht so sehr um dieses konkrete Erlebnis, sondern um diese Erkenntnis, dass ich in all den Momenten, wo ich bisher dachte, es ginge mir ganz gut, ich hätte keine Angst, eben im Grunde doch Angst habe. Ich spüre sie dann eben nicht, aber die ist da und beeinflusst mein Denken und Handeln. Und das ist alles derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich es trotz aller Erfahrung und Arbeit nicht mehr auseinander dividieren kann. Ich frage mich oft, wenn ich etwas vorhabe und zögere, wie ich nun handeln würde, wenn ich keine Ängste hätte. Und es ist nicht immer unbedingt zwangsläufig so, dass die Antwort wäre, eben wirklich das zu tun, was da gerade ansteht. Ich komme manchmal zu der Erkenntnis, dass ich es auch ohne Angst mit großer Wahrscheinlichkeit lassen würde. Doch es kostet Kraft und Anstrengung sich über solches klar zu werden und es gelingt nicht immer, es zeigt wie wenig Vetrauen man in sich hat und wie wenig man sich selber, seiner Wahrnehmung traut.

Aber irgendwie schweife ich ab.

Mir hat dieser Montag gezeigt, wie sehr ich durch und durch mit jeder Faser meines Seins von Angst bestimmt werde. Eigentlich keine besondere Erkenntnis, vielleicht wußte ich es auch und habe es aber nun erst verinnerlicht. Ich kann sehr viel an mir analysieren, doch dieses Verinnerlichen ist der wichtigste Schlüssel bei allem.

Ich habe die Angst übrigens auch schon in dem Licht gesehen, dass sie mich tatsächlich schützt, aber eher in dem Sinne, dass sie mich vor meinen eigenen unerreichbaren Ansprüchen schützt. Damit meine ich, dass sie mich davor bewahrt wirklich zu scheitern. Sie bewahrt mich davor die Erfahrung zu machen, dass ich tatsächlich all das nicht bin, was ich gerne sein oder können möchte. Wozu sollte sie sonst da sein? Sie schützt mich doch nicht, wenn sie mich hindert etwas zu tun, was ich mir nicht zutraue. Sondern sie hilft mir vielleicht eher, die negative Erfahrung, dass ich tatsächlich scheitern würde, zu umgehen. Somit ist sie vielleicht eher im Ursprung eine Intuition, verändert nur eben dramatisch schnell ihr Gesicht und verselbstständigt sich, so dass wir gar nicht mehr durchblicken.

Christina, eine fette Depression ist ein wenig übertrieben. Ich möchte mir nicht anmaßen, mich mit den Menschen zu vergleichen, die eine solche haben und ohne Medis und Klinik nicht mehr lebensfähig sind. Ich habe solche Menschen gesehen, sie können eigentlich nichts mehr. Das ist eine fette Depression. Aber ich bin sicher, dass Du das weißt und auch so nicht gemeint hast. Natürlich habe ich depressive Züge und/ oder depressive Phasen. Ich glaube auch, dass jeder von uns, der eine Angststörung hat, dazu neigt. Ich sehe diesen angstfreien Tag nicht als Ausreißer, kann aber noch nicht beschreiben, als was sonst.

Ich habe in all den Jahren aufgehört nach Diagnosen zu suchen. Jeder Arzt und Therapeut sieht die Welt anders. Und ob ich vielleicht eine (leichte/mitelschwere) Depression mit dem Symptom Angst habe oder hatte oder eine Angststörung mit dem Symptom Depression oder wie auch immer, ist im Grunde nicht wichtig.

Ich glaube, der Angst liegt ein Grundgefühl unter, das wahrgenommen, durchlebt und integriert werden muss. Saorsas Vermutung, sich nicht lebensfähig zu fühlen, wäre demnach vielleicht ein Anhaltspunkt tiefer dahinter zu blicken, alten Schmerz zu durchleben, den Schrei in sich zu hören und ihm zu antworten. Wenn das gelingt, ist die Angst nicht automatisch weg, doch man kann sie besser verstehen, was ihr den Schrecken nimmt.
Ich glaube von mir, dass ich viele Jahre nicht die richtigen Therapeuten hatte. Aber es kann auch sein, dass ich für die richtigen Therapeuten sowieso nicht offen gewesen wäre. Und inzwischen ist es zu dieser Chronifizierung gekommen.
Und was diese Sache mit den Autobahnen und der Plastizität des Gehirns angeht, Christina, kommt es wahrscheinlich auch auf die Persönlichkeit und natürlich auf die Angstform an. Pauschal kann man das nicht einordnen. Ich finde auch nicht, dass man sagen kann, Medikamenten-Gegner liegen grundsätzlich falsch. Ich verstehe, was Du meinst und ich kann Dein Wissen nachvollziehen. Es klingt logisch, ist wahrscheinlich wissenschaftlich belegt, dennoch spielen hier - so finde ich - die Lebenseinstellung und das Empfinden von Lebensqualität eine Rolle. Angst heißt nicht gleich Medis. Selbst wenn ich Gefahr einer Chronifizierung laufe, ist es auch eine Entscheidungsfrage oder gar eine Intuition, eine innere Stimme, der man folgt. Ich begrüße Menschen, die klare Entscheidungen für sich treffen und nicht blind alles glauben, was die Medizin oder Psychiatrie/Psychotherapie sagt. Versteh mich nicht falsch, ich ordne Dich so nicht ein. Ich kann mich vielleicht nicht so professionell ausdrücken wie Du, doch ich habe ne Menge Entwicklungen durchgemacht und schon sehr viel ausprobiert. Und auf meinem Weg bin ich spirituellen Themen (NICHT ESOTERIK) immer näher gekommen. Und da hinkt die klassische Medizin derbe hinterher.
Aber das ist ein anderes Thema.

A


Angst und Panik aus Schutz gegen das Leben?

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Zitat von Lilly42:
Dieser eine Tag zeigte mir jedoch, dass sich all diese Fragen gar nicht mehr auftun, wenn ich keine Angst habe. Ich bin einfach, ich tue einfach, ich lebe. Würde dieser Zustand länger anhalten, glaube ich nicht, dass ich automatisch Großartiges anstreben würde.
Ich glaube zu verstehen, was Du meinst. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es bei mir inzwischen ähnlich wäre. Aber das läge bei mir zumindest zum Teil daran, dass ich mit der Angststörung so viel älter geworden bin. Ein bisschen reifer, was das Großartige angeht, aber v.a. auch altersmäßig und in Bezug auf Chancen in der Lebensgestaltung den realistischen Möglichkeiten auf ansatzweise Großartiges entwachsen. Das Rennen ist gelaufen - ohne mich. Da könnte es mir eigentlich heute leichter gelingen als mit Anfang 20, einfach so zu leben.

Zitat von Lilly42:
Ich habe die Angst übrigens auch schon in dem Licht gesehen, dass sie mich tatsächlich schützt, aber eher in dem Sinne, dass sie mich vor meinen eigenen unerreichbaren Ansprüchen schützt. Damit meine ich, dass sie mich davor bewahrt wirklich zu scheitern. Sie bewahrt mich davor die Erfahrung zu machen, dass ich tatsächlich all das nicht bin, was ich gerne sein oder können möchte. Wozu sollte sie sonst da sein? Sie schützt mich doch nicht, wenn sie mich hindert etwas zu tun, was ich mir nicht zutraue. Sondern sie hilft mir vielleicht eher, die negative Erfahrung, dass ich tatsächlich scheitern würde, zu umgehen. Somit ist sie vielleicht eher im Ursprung eine Intuition, verändert nur eben dramatisch schnell ihr Gesicht und verselbstständigt sich, so dass wir gar nicht mehr durchblicken.
Das würde ich unterschreiben...

Zitat von Lilly42:
Natürlich habe ich depressive Züge und/ oder depressive Phasen. Ich glaube auch, dass jeder von uns, der eine Angststörung hat, dazu neigt.
Klar, ich meinte keine schwerste klinische Depression. Aber ich finde es nicht so natürlich, auch depressiv zu werden. Die meiste Zeit meiner Erkrankung war ich kein bisschen depressiv. Daher erlebe ich es sehr deutlich, wieviel schwerer es wird, wenn noch so etwas wie Depressionen dazu kommen, die auch bei mir nicht sehr ausgeprägt sind.

Zitat von Lilly42:
Ich glaube von mir, dass ich viele Jahre nicht die richtigen Therapeuten hatte. Aber es kann auch sein, dass ich für die richtigen Therapeuten sowieso nicht offen gewesen wäre. Und inzwischen ist es zu dieser Chronifizierung gekommen.
Das geht mir wohl genauso.

Zitat von Lilly42:
Und was diese Sache mit den Autobahnen und der Plastizität des Gehirns angeht, Christina, kommt es wahrscheinlich auch auf die Persönlichkeit und natürlich auf die Angstform an. Pauschal kann man das nicht einordnen.
Okay, Vergleiche hinken. Und auch die Persönlichkeit bildet sich in den Hirnstrukturen ab (theoretisch, praktisch nachvollziehbar ist das ja alles nicht), sie basiert ja selbst auf Erfahrungen und ist die Grundlage dessen, wie neue Erfahrungen eingebaut werden. Je nachdem, welcher Boden da bereitet ist, dürfte es leichter oder schwerer fallen, Angst zu lernen/einzubauen oder auch als Schutzmechanismus zu verwenden. Und entsprechend unterschiedlich werden auch die Möglichkeiten sein, dem entgegenzuwirken.

Zitat von Lilly42:
Ich finde auch nicht, dass man sagen kann, Medikamenten-Gegner liegen grundsätzlich falsch.
Das finde ich auch nicht...

Zitat von Lilly42:
Angst heißt nicht gleich Medis.
Dem stimme ich bedingungslos zu. Und ich halte es auch für keine glückliche Lösung, mit gesträubten Nackenhaaren entgegen eigener Überzeugungen Medikamenten zu nehmen, bloß weil das bestimmten Chronifizierungen vorbeugen kann. Mir ging es eher darum, dass Medikamente eben nicht nur Symptome zudecken und einem dadurch das Leben leichter machen, sondern dass sie unerfreuliche Folgen einiger Symptome verhindern können. Wobei es immer auf den Einzelfall ankommt, und ich nichts als pauschale Empfehlung meine. Aber ich glaube, Du hast mich schon richtig verstanden.

Liebe Grüße
Christina

Hallo zusammen,

habe mich eben erst hier angemeldet und möchte auf den Ursprung des Themas eingehen, weil er mir sehr bekannt vorkommt. Habe selbst das Gefühl, dass die Angst- bei mir Agoraphobie und zeitweise Panikattacken, beides habe ich aber seit längerer Zeit verhältnismäßig im Griff durch 'Durchgehen, Stellen und Grinsen' sozusagen- also dass die Angst und die vermeintliche Verrücktheit etc. mir sehr wohl auch dazu dienen, manches eben nicht zu tun. Angst vor dem Erfolg oder Angst vor der Niederlage? Jedenfalls erkenne ich zunehmend, dass ich mein Potzenzial nicht ausschöpfe und mich selbst sabotiere.

Das mag auch an uralten Prägungen liegen, in denen mir eingeimpft wurde, 'ich solle mich nicht so wichtig nehmen' sozusagen und die trotz aller sonstigen Weisheit irgendwie noch nicht aus mir raus sind. Im Zweifelsfall bin ich eben nur ein kleines Versehen, das sich doof anmutend zum Licht streckt. Ohne jeglichen Lebensberechtigungsschein, sozusagen.

Mit Sicherheit liegen meine Angststörungen mit in dieser Startphase begründet. Aber ich frage mich, wieso es bis heute nicht möglich war, sie trotz aller Erkenntnis der Umstände zu eliminieren.
Der Kopf hat es gecheckt, was ist mit dem Rest?
Welcher Rest?

Wie gesagt habe ich die Phasen derzeit gut im Griff, aber ich weiß, dass sie, so wie es bisher immer war, in Stressphasen wieder überhand nehmen können. Da ist dann nicht mehr viel mit Weisheit

Naja, insgesamt wollte ich nur mal hier kleinen Beitrag leisten, weil ich auch der Ansicht bin, dass dieses Angst-Zeugs uns womöglich als Alibi dient, keine weiteren Dinge anzugehen, sondern uns vielmehr klein hält.
Wer nichts riskiert, kriegt ja auch keins drauf.
Da bringt man lieber die Wohnung in Ordnung und erledigt endlich mal die Ablage....

Die Frage ist dann nur noch, welche ominöse Größe es ist, die uns so klein haben möchte- womöglich ein kleines Teufelchen in uns selbst?!

Hi
habe diesen Thread erst heute entdeckt. Genau diese Gedanken hatte ich schon öfter. Ich merke nun zunehmend bei mir, dass die Angst wirklich schützt. Allerdings schützt sie vor etwas, dass eigentlich heute nicht mehr für mich aktuell zu sein bräuchte. Ich habe aber scheinbar noch immer keine erwachsenen Strategien emotional erworben, sondern agiere noch immer wie ein Kind. Und die Verhaltensmuster sind ähnlich.
Bin dabei anders zu denken und zu agieren und die Angst nimmt zu -erstmal hoffe ich. Ich glaube, wenn ich erst einmal merke, dass nichts von alledem eintritt, wovor ich Angst habe, dass ich dann besser agieren kann. Das bedeutet aber durch die Angst durch zu gehen.

L.G.





Dr. Hans Morschitzky
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