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Hallo ihr Lieben

Ich kämpfe seit 7 Jahren (Beginn des Studiums) mit verstärkten Angstzuständen. Anfangs habe ich überhaupt nicht begriffen was mein Problem ist, konnte plötzlich nicht mehr mit der Bahn zur Uni fahren, habe im Hörsaal Panik bekommen etc. Wirkliche Attacken waren das allerdings nie. Immer nur sehr lange Zustände von extremer Anspannung.
Nach langen Jahren an Therapie bin ich heute an dem Punkt, an dem ich recht gut weiß, wo das herkam, und dass ich vor dem Studium, also als Schülerin, auch nicht gesund war.
Ich habe extreme Versagensängste, die für mich schon immer so normal waren, dass ich sie nicht mehr wahrgenommen habe. Das Problem war auch nie die Bahn mit der ich zur Uni gefahren bin, sondern dass ich damit zur Uni fahren musste etc. Hinzu kommt ein Hang zur sozialen Phobie bzw. eine extreme Sehnsucht nach Anerkennung und Geborgenheit, die ich durch sehr braves angepasstes Verhalten erreicht habe (vor allem während der Schulzeit). Dieses Kompensationsverhalten beinhaltet leider auch starken Perfektionismus, da ich mir durch Leistung Anerkennung/Zuneigung erarbeitet habe.
Davon ist heute zurückgeblieben, dass ich dauernd extrem unter Strom stehe und sämtliche Lebensbereiche inzwischen von diesem Leistungsgedanken eingenommen sind. Jedes Gespräch, jedes gemeinsame Essen, einfach alles.
Oft denke ich, es geht mir gut, aber in Wirklichkeit werde ich in solchen Momenten aber nur allen Anforderungen gerecht. Sobald dies zu bröckeln beginnt, verfalle ich in Panik. Sobald ich das Gefühl habe, ich kann nicht mehr perfekt funktionieren. Ein Teufelskreis, wenn man zu psychosomatischer Reaktion auf Stress neigt - ihr kennt das ja
Nun bin ich gerade in einer Lebensphase in der die Anforderungen sehr hoch sind. Ich bin im letzten Drittel meiner Masterarbeit und muss danach ins Berufsleben einsteigen. Eigentlich läuft alles super, aber manchmal gerate ich in solche schrecklichen Anspannungs-Spiralen (so wie heute).
Zudem gehe ich Anfang August auf eine Woche in der 30 Leute in meinem Alter für eine Aktivität zusammenkommen. Ich mache das schon seit ca. 10 Jahren jedes Jahr und ich bin zwar sehr gerne dort, aber ich habe leider auch schon viele sehr traumatische Angst-Geschichten dort erlebt, die ich nicht gut vergessen kann.
Ich habe dort immer das Gefühl, funktionieren zu müssen, bloß nicht merkwürdig aufzufallen etc. und ich komme irgendwie nicht dagegen an, obwohl ich mein Problem sehr genau kenne.
Mir ist gerade echt zum Heulen weil ich seit gestern chronisch hyperventiliere und einfach nicht aus dieser Schleife rauskomme. Ich muss gerade leider auch wirklich funktionieren, da ich mit meiner Masterarbeit gerade in einer heißen Phase bin.

Hat jemand einen Tipp, Erfahrungen oder einfach ein paar tröstende Worte für mich?

24.07.2024 10:53 • 29.07.2024 x 1 #1


15 Antworten ↓


@masky
Was studierst du denn und was wäre der Bereich in dem du später mal arbeiten würdest?

A


Angst funktionieren zu müssen / Studium & Stress

x 3


Ich studiere Lebensmitteltechnologie und Arbeitgeber sind sämtliche Lebensmittelfirmen in der Entwicklung oder Qualitätssicherung

Das hört sich sehr interessant an. Ist es das, was du auch tatsächlich machen möchtest?

Zitat von masky:
Hallo ihr Lieben Ich kämpfe seit 7 Jahren (Beginn des Studiums) mit verstärkten Angstzuständen. Anfangs habe ich überhaupt ...


Was meinst du denn mit

„aber ich habe leider auch schon viele sehr traumatische Angst-Geschichten dort erlebt, die ich nicht gut vergessen kann.”
?

Zu deiner Frage (Tipps etc.) hätte ich nur den einen und der ist leider nicht besonders originell. Wenn du Menschen in deinem privaten oder später vielleicht auch beruflichen Umfeld hast, mit denen du dich wohl fühlst, die dich als Mensch sehen und nicht als Leistungsträger, dann stärkt dir das sicherlich den Rücken und gibt dir Selbstvertrauen. Ich hoffe du hast mindestens einen solchen Menschen in deinem Umfeld

Zitat von masky:
ch habe extreme Versagensängste, die für mich schon immer so normal waren,


Ich bin der Meinung, wenn man seine wirklichen Ängste kennt, ist alles halb so schlimm.

Dann arbeitet man immer am Symtom, sonder daran, was gerade wieder mal triggert.

Je öfter du so an dir arbeitest, desto besser wird alles. Und man gewöhnt sich sogar daran, dass man sich manchmal wirklich, wirklich beschissen fühlt. Das ist bei uns quasi normal.

Zitat von masky:
Ich mache das schon seit ca. 10 Jahren jedes Jahr und ich bin zwar sehr gerne dort,

Schau, Du bist vorangekommen. Wirklich.

Das was Du jetzt hast, ist die Angst vor der Angst.

Auch diesmal wirst Du sie wieder besiegen.


Zitat von masky:
Ich muss gerade leider auch wirklich funktionieren, da ich mit meiner Masterarbeit gerade in einer heißen Phase bin.

Diese Phase geht auch wieder vorbei.

Du bist super reflektiert und man merkt, dass Du in der Therapie gelernt hast.

Ich drücke Dir die Daumen für Deine Masterarbeit ️

Zitat:
Mir ist gerade echt zum Heulen weil ich seit gestern chronisch hyperventiliere und einfach nicht aus dieser Schleife rauskomme.

Hast du schon öfters hyperventiliert? An sich ist das nicht gefährlich, aber außer Stress und Panikattacken kann es auch körperliche Gründe geben. Ich möchte dich auf keinen Fall beunruhigen. Ist nur so ein Gedanke.

ERSTE HILFE bei Hyperventilatio:

„Wie kann man helfen?
Als Erstes sollten Helfende mit den Betroffenen die auslösende Situation verlassen und wenn möglich einen ruhigen Ort aufsuchen. Am besten lassen sich Hyperventilation beruhigen, indem man mit ihnen redet und sie ablenkt. Auch Papier- oder Plastiktüten können helfen: Dazu atmen Betroffene eine Zeit lang in eine Tüte ein und aus, die Mund und Nase umschließt. Mit jedem Atemzug sammelt sich mehr Kohlenstoffdioxid im Beutel an, das die Betroffenen wiederum einatmen. Auf diese Weise normalisiert sich der Säuregehalt im Körper und die Beschwerden verschwinden langsam.
Wenn die Betroffenen trotzdem nicht aufhören zu hyperventilieren, sollten Helfende den Notruf 112 wählen. Die Rettungskräfte untersuchen, ob körperliche Auslöser hinter den Beschwerden stecken, die sie sofort behandeln müssen. Erst wenn diese ausgeschlossen sind, verabreicht das Notarztteam ein Beruhigungsmittel.”

Zitat aus https://www.spektrum.de/news/erste-hilf...en/2069202

Gibt es jemanden, der oder die dir Gesellschaft leisten und dich ablenken kann? Oder Mitbewohner z.B. wenn du in einer WG wohnst?

Und noch etwas: Lebensmitteltechnologie! Das ist echt irre bin beeindruckt! ich schließe mich @Luce1 an und wünsche dir ebenfalls alles Gute für deine Masterarbeit

Sehe ich es richtig, dass der ständige Leistungsgedanke immer dann existiert, wenn Du mit anderen Menschen interagierst (Schule, potenziell in Aussicht stehender Beruf, Uni, Essen gehen, 30-Personen-Event etc.)?
Zitat von masky:
ich komme irgendwie nicht dagegen an, obwohl ich mein Problem sehr genau kenne.

Bei weit fortgeschrittenem Leistungszwang ist die präzise Definition des Problems oftmals eher kontraproduktiv: Je genauer man das Problem kennt umso mehr identifiziert man sich damit. Der Verlust des Problems (z. B. durch therapeutische Heilung) würde ergo einen Verlust eines Teils der Identität darstellen. Der Experte ist sein eigener Skla ve.

@moo
Zitat:
Bei weit fortgeschrittenem Leistungszwang ist die präzise Definition des Problems oftmals eher kontraproduktiv: Je genauer man das Problem kennt umso mehr identifiziert man sich damit.

Versteh ich nicht. Wenn das als Problem Identifizierte nicht das tatsächliche Problem wäre, wäre es verständlich, wenn ein Festhalten an dem bisher als
Problem Definierten den Heilungsprozess behindern würde. Hast du das so gemeint?

@Chris_ohne_BBBB
Davon abgesehen, dass das tatsächliche Problem stets nur den aktuellen (vermeintlichen) Wissensstand des Betroffenen bzw. des Therapeuten darstellt kann ein von chronischem Leistungszwang Betroffener durchaus in der Beschäftigung damit aufgehen und es in seinen Zwang integrieren. Ich würde in einem solchen Fall von Analyse- bzw. Therapiemissbrauch sprechen.

Zitat von masky:
eine extreme Sehnsucht nach Anerkennung und Geborgenheit, die ich durch sehr braves angepasstes Verhalten erreicht habe (vor allem während der Schulzeit). Dieses Kompensationsverhalten beinhaltet leider auch starken Perfektionismus, da ich mir durch Leistung Anerkennung/Zuneigung erarbeitet habe.

Das ist ein Thema,mit dem glaub ich viele Menschen zu tun haben.
Hab gestern noch mit meinem Mann darüber gesprochen denn uns geht es ähnlich.

Ergebnis ist,dass man nicht begreift,dass man auch ohne eine Leistung zu erbringen ein liebenswerter Mensch ist und sich immer mehr verausgabt.

Es ist aber wirklich gut,dass Du Dein Muster bereits erkannt hast.
Problem erkannt,Gefahr gebannt.

Es kann allerdings dauern,sich von gewissen Verhaltenswesen zu lösen und hier kannst Du beginnen zu lernen,nicht mehr so streng mit Dir zu sein.
Man rutscht immer mal wieder rein aber dann : Ah,da ist es ja wieder und dann kann man erneut sanft gegen steuern.

Und hierbei geht es nicht um Perfektionismus sondern darum,einen wohlwollenden Umgang mit sich selbst zu finden mit der Zeit.

Ich versteh Dich aber wirklich gut.
Mein Perfektionismus hat dazu geführt,dass ich kaum noch was angehe ,weil ich denke,das krieg ich eh nicht (gut genug) hin.

Also egal,was man tut,es ist (in den eigenen Augen!) niemals gut genug.
Und das erzeugt enormen inneren Druck.

Bist aber bereits auf einem wirklich guten Wege und kannst mal versuchen,Dich selbst zu loben,wenn Du was (einfaches!) gut gemacht hast.
Es fühlt sich gut an,wenn man sich mal selbst lobt,probier es aus.

Und auch (und gerade) wenn mal was nicht absolut perfekt war (was oft vorkommen wird weil es ganz normal ist,dass nicht immer alles perfekt läuft) ,sagst Du Dir innerlich: Ich bin okay und ich habe das gut gemacht.

Danke euch allen. Ich habe alles gelesen und einwenig darüber nachgedacht.
Ein paar Sachen möchte ich noch direkt beantworten:
Ja, meine Leistungsangst hängt sehr mit meinen Mitmenschen zusammen. Ich habe das Gefühl vor anderen funktionieren zu müssen, damit sie mich mögen oder annehmen.
Ich bin mir dessen bewusst und versuche mich immer wieder daran zu erinnern und gegenzusteuern.
Manchmal holt es mich aber dann umso heftiger ein.
Ich merke einfach, dass ich bei meinen Mitmenschen nicht so arg gut ankomme. Bzw ich werde nicht aktiv ausgeschlossen und ein freundliches Moteinander ist die Regel, aber ich bin auch nie im fröhlichen Kreis mit dabei. Ich fühle mich so falsch. Meine 2 Mitbewohnerinnen lachen immer zusammen und ich bin einfach zu ernst für sowas. Mit mir hat man irgendwie keinen Spaß weil ich im Umgang mit anderen inzwischen so gehemmt bin...Ich glaub mein Gegenüber spürt das. Ein Teufelskreis.

Hallo @masky
was du beschreibst

Zitat:
Ich merke einfach, dass ich bei meinen Mitmenschen nicht so arg gut ankomme. Bzw ich werde nicht aktiv ausgeschlossen und ein freundliches Moteinander ist die Regel, aber ich bin auch nie im fröhlichen Kreis mit dabei. Ich fühle mich so falsch.

habe ich schon mehrfach bei anderen in diesem Forum gelesen und kenne das auch von mir nur dass ich mich nicht als „falsch” empfinde, sondern als „anders”. Vielleicht magst du es mal mit einer Selbsthilfe versuchen. Da ist die Chance Menschen zu treffen, die ähnliche Probleme haben und die deswegen zu anderen Menschen, die sich „falsch” oder „anders” fühlen, aufgeschlossener sind, groß.

Sorry, der Post erscheint irgenwie doppelt, lässt sich nicht löschen.

Zitat von masky:
Ja, meine Leistungsangst hängt sehr mit meinen Mitmenschen zusammen. Ich habe das Gefühl vor anderen funktionieren zu müssen, damit sie mich mögen oder annehmen.

Müssen denn auch die Mitmenschen funktionieren, damit Du sie annehmen bzw. mögen kannst? Genügt es Dir, angenommen zu sein oder musst Du gemocht werden?

Zitat von masky:
aber ich bin auch nie im fröhlichen Kreis mit dabei

Zitat von masky:
lachen immer zusammen und ich bin einfach zu ernst für sowas

Zitat von masky:
Mit mir hat man irgendwie keinen Spaß

Bedenke, dass Frohsinn, Spaß und Gelächter inzwischen zum guten Ton in vielen Gesellschaftsgruppen gehört. Wieviel Wahres an dem ganzen Zinnober dran ist, sei dahingestellt. Gestatte Dir, nicht lustig und locker rüberzukommen. Authentizität drückt sich nicht zwingend in vor sich her getragener Lebensfreue aus.

Es mögen Zeiten kommen, wo man Menschen sucht (und braucht), mit denen man keinen Spaß hat, sondern die soviel Potenzial haben, dass man mit ihnen ein offenes Gespräch führen kann. Höchstwahrscheinlich kommt man dann auf Dich zurück...

Zitat von masky:
Ich glaub mein Gegenüber spürt das.

Ja, mag sein. Das kann aber auch bedeuten, dass das die (vermeintlich) Lustigen verunsichert, gerade weil sie es nicht gewohnt sind, mal angemessen bzw. ernsthaft zu kommunizieren. Gaudi und Blödelei schaut auf den ersten (oberflächlichen) Blick cool und selbstsicher aus. Mit etwas Lebenserfahrung mag man erkennen, wieviel Unsicherheit letztlich fast immer dahinter steckt.

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Dr. Christina Wiesemann
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