Hallo Christel,
vielleicht mag es nichts bringen, nach dem warum zu fragen, aber ich denke da etwas um die Ecke: ich weiß, worauf meine Probleme beruhen, brauche also selbst die Ursachen und das warum nicht zu erfragen. Nur dadurch sind mir die Gründe für mein Verhalten, meine Ängste etc. bekannt. Ändern kann ich nichts mehr daran, das weiß ich. Nur ist es mir insofern hilfreich, als ich das, was geschehen ist, nie wieder zulassen werde. Ich habe sogar neulich, eben aufgrund dessen, einfach nein sagen und meinen Widerwillen zum Ausdruck bringen können, was ich in dieser Situation sehr hilfreich fand.
Ich denke schon, dass die Schuldfrage doch ein wenig weiterhilft. Wenn bspw. ein Mensch Missbrauchserfahrungen machen musste, ist es kein Wunder, dass sich irgendwann eine Sozialphobie entwickelt, dass man Berührungsängste hat, die in Panik ausarten können. Vielen Missbrauchsopfern wird eingeredet, sie selbst seien schuld an ihrer Misere, sie trifft die Schuld, dass es überhaupt geschehen konnte. Und ich denke, viele übernehmen das und entwickeln Schuldgefühle für etwas, was andere und nicht sie getan haben.
Bei mir blockieren die Gründe, die in der Vergangenheit zu suchen sind, nicht die Angstbewältigung, im Gegenteil, ich bin mir der Gründe und der Auswirkungen bewusst und bin mir mittlerweile auch bewusst, dass ich eben das, was in der Vergangenheit geschah, gegenwärtig und zukünftig nicht mehr zulassen werde. Blockiert bei der Problembewältigung wäre ich dann, wenn ich die Gründe nicht wüsste, nicht wissen dürfte (was manchen wohl am liebsten wäre, denn dann braucht man ja nicht über dieses und jenes zu reden, falsche Schuldzuweisungen wären legitim, wie immer, und wie immer würden einem manche am liebsten einen Maulkorb anbringen) oder eben, wie leider so oft der Fall ist, nicht darüber reden dürfen. Und gerade dieses - wenn abgetan, geleugnet, Redeverbot erteilt wird, würde mich noch mehr blockieren.
Natürlich, die Vergangenheit kann niemand ändern, auch ich kann meine Vergangenheit nicht mehr ändern. Das habe ich mittlerweile begriffen und empfinde nicht mehr diese enorme Wut und dieses Ohnmachtsgefühl. Dennoch - ich denke, die Vergangenheit ist auch eine Art Brücke zur Gegewart, und diese wiederum ein Bindeglied zur Zukunft.
Es kommt ja auch noch dazu, dass man in gewissen gegenwärtigen Situationen eine Assoziation herstellt zu der Vergangenheit, ob man das will oder nicht. Die Bilder tauchen einfach auf. Für die Bewältigung oder einfach, damit umgehen zu können, muss man einen Weg finden, was jedoch nicht so einfach ist.
Um beim Beispiel des Missbrauchs zu bleiben: wenn dir solches in der Kindheit und/oder Jugend passiert, werden die meisten irgendwann Phobien und Ängste entwickeln. Später dann, wenn du jemanden kennen lernst, der mehr von dir möchte als Freundschaft, assoziierst du ihn mit demjenigen, der dir dieses angetan hat, d.h. die Bilder tauchen auf, du setzt demjenigen in der Gegenwart den Kopf desjenigen der Vergangenheit auf und schon bist du blockiert. Natürlich - passiert ist passiert, nicht mehr rückgängig zu machen, nicht mehr zu ändern. Man lebt in der Gegenwart und vielleicht auch noch in der oder für die Zukunft. Nur so einfach geht es eben auch nicht, die Vergangenheit einfach wegzudenken, leider nicht.
Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn es irgend ein Mittel gäbe, die negativen Teile der Vergangenheit einfach auszulöschen, sehr viele Menschen davon Gebrauch machen würden, will es mal etwas ironisch ausdrücken: gäbe es ein solches Mittel, in welcher Form auch immer, würden die Pharmaindustrien kaum mit der Produktion nachkommen...
Im großen und ganzen hast du Recht, man kann, wenn überhaupt, seine Ängste u.a. nur in der Gegenwart angehen, aber es ist eben nicht so einfach durchzuführen, wie es sich sagt oder schreibt.
LG
28.12.2007 20:20 •
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