ich habe seit längerer Zeit ein Problem, dessen ich nicht wirklich Herr werde. Vielleicht weiss jemand was, was helfen könnte. Ich seh den Wald vor Bäumen nicht mehr.
Kurz zu mir: männlich, 48 Jahre, Single. Seit ca. 20 Jahren Agoraphobie mit Panikattacken, rezidivierende Depression. Seit Anfang 2020 Frührentner. Bis 2018 war es eigentlich soweit okay. In jenem Jahr jagte ein Knaller den nächsten, und seitdem geht es irgendwie kontinuierlich bergab.
Mein Problem ist etwas schwer zu erklären. Ich empfinde sehr viele Situationen (konkret bevorstehende aber auch nur evtl. zu erwartende) sofort als stressig und habe meine Gedanken dann nicht mehr im Griff. Meine Grundanspannung ist konsequent immens hoch.
Beispiel: Seit ich in Frührente bin, arbeite ich noch ein bisschen nebenbei auf selbständiger Basis, kann mir meine Zeit also frei einteilen. Nüchtern betrachtet käme ich mit wenigen Stunden pro Woche hin. Aber ein Großteil meiner Zeit (sowohl 'beruflich' wie auch im privaten Bereich) geht damit drauf, dass ich mir Gedanken darüber mache, was ich wie in welcher Reihenfolge am besten erledige. Und das mich auch nur ja bitte nichts überfordert - ich hatte in 2008 mal eine Art burnout-bedingten Zusammenbuch, und in diesen Zustand möchte ich nicht nochmal geraten. So schiebe ich viele Sachen lange vor mir her und der Druck wächst immer weiter.
Wenn hin und wieder mal zusätzliche Arbeiten/Probleme/Themen aufploppen - was ja nicht ausbleibt -, versetzt mich das sofort in Megastress. Ich bekomme dann panische Angst, 'das alles' nicht zu schaffen, daß mir 'das alles' zu viel wird, etwas zu übersehen, zu vergessen oder falsch zu machen. So schreibe ich endlos viele Notizzettel und To-Do-Listen, deren Inhalt mich aber aufgrund der schieren Menge nur noch mehr unter Druck setzt. Zudem kommen immer wieder weitere Kleinigkeiten hinzu, die noch erledigt werden müssten/sollten/könnten. Es ist einfach kein Land in Sicht.
Wenn irgendwelche Projekte aufgrund meines desolaten Zustands in Rückstand geraten oder nicht beizeiten fertig werden, sitzt mir das wahnsinnig im Nacken und lähmt mich total. Ich habe die schlimmsten Katastrophengedanken, was passieren könnte, wenn ich es nicht bald schaffe. Irgendwann setze ich mich dann dran, schaffe es auch und es passiert: nichts. Wieder umsonst katastrophisiert. Nur leider tritt auch der 'Lerneffekt' nicht ein, beim nächsten Projekt läuft es wieder genau so ab.
Das Ganze hat bisher mehrmals dazu geführt, dass ich mit wahnsinnigem Herzrasen im Krankenhaus gelandet bin. Organisch ist am Herz nicht zu finden. Laut Ärzten handelt es sich dabei um Panikattacken. Klingt für mich auch schlüssig. Aber ich bekomme meine Gedanken einfach nicht mehr in den Griff, wenn diese Spirale einmal in Gang gesetzt wurde.
Ich könnte mit meiner Gesamtsituation ganz zufrieden sein. Ich habe nirgendwo Streit, keine Schulden, ein eigenes Haus mit kleinem Garten, 'nen netten Kater. Keine 'offenen Baustellen' i. S. v. unbearbeiteten Krisen, Schicksalsschlägen oder ähnlichem. Trotzdem bin ich gefühlt im Dauerstress. Ich weiß aber nicht, warum eigentlich.
Momentan sind meine Tage eher eintönig. Ich schaue, was anliegt, und versuche, das zu bewältigen. Was nicht immer klappt, da früher oder später Angstzustände, totale Überforderung (Stichwort mental load), depressive Löcher, völlige Antriebshemmung und gigantische Erschöpfung auftreten. Ich verziehe mich dann aufs Sofa und hoffe, daß der Tag einigermaßen erträglich vorbeizieht. Abends dann Abendessen, was zocken, Netflix u. ä. Aber mehr um die Zeit rumzukriegen, weniger aus Interesse.
Von Hobbys, Familie und Freunden habe ich mich größtenteils zurückgezogen, Treffen sind für mich extrem anstrengend. Wenn es doch einmal dazu kommt, stehe ich die ganze Zeit unter großer Anspannung, will nur noch weg und kann es nicht genießen. Außer zwei Kumpels habe ich keine nennenswerten weiteren Sozialkontakte mehr. Dies ist für mich belastend, da ich früher doch eher ein geselliger Typ war, der auf keiner Party gefehlt hat.
Klingt langweilig? Ist es auch. Aber ich habe einfach überhaupt keine Energie, um mir halbwegs erfüllende entspannende Freizeitbeschäftigungen oder gar neue Kontakte zu suchen. Und wenn mir doch mal was einfällt, was vielleicht etwas Spaß bringen könnte, kommen meine Ängste um die Ecke und blockieren mich völlig.
Bisherige Therapien:
60 Sitzungen Verhaltenstherapie bis Sommer 2021. Neue Therapie beginnt in Kürze.
Psychiatrische Medikation: Paroxetin 25mg. Nehme ich seit 2010, ich habe aber seit einiger Zeit den Eindruck, es hat überhaupt keine Wirkung mehr. Psychiater hat einige andere Medikamente ausprobiert. Entweder gab es überhaupt keine Wirkung (bei Agomelatin, Pregabalin) oder die Nebenwirkungen waren so hammerhart (bei Quetiapin, Mirtazapin, Elontril), daß wir nach ca. einer Woche wieder zu Paroxetin zurückgekehrt sind. Ansonsten ist man dort ziemlich ratlos mit mir.
Psychosomatische Reha nach 3 Wochen abgebrochen wegen völliger Überforderung, danach in Frührente.
Ergotherapie: nach 5 Sitzungen abgebrochen. War überhaupt nichts für mich.
An Entspannungsmethoden hab ich so ziemlich alles durch. Für den Moment hilft es mir (manchmal), runterzukommen, aber ein paar Minuten später bin ich wieder in derselben Anspannung wie vorher.
Alles ist irgendwie ein nebulöser Mischmasch aus Depression, Angst, Stresserleben, Frustration, Hoffnungslosigkeit, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit. Ich habe das Gefühl, ich bin in ein Labyrinth reingerannt, jemand hat das Licht ausgemacht und die Tür zugemauert. Ich bin in mir selbst gefangen und finde den Ausgang nicht.
Ich habe die Befürchtung, mir gehen langsam die Optionen aus. Irgendwie hilft nichts wirklich. Ich stehe mir aber auch total selbst im Weg und weiß nicht, was ich machen kann.
26.04.2022 19:08 • • 07.05.2022 x 7 #1