Ich habe vor kurzem diesem Forum hier entdeckt und möchte euch an dieser Stelle gerne erzählen, worunter ich leide. Vielleicht melden sich ja ein paar andere, denen es ähnlich geht. Das würde mich wirklich freuen!
Nun, kurz etwas zu mir: Ich bin 30 Jahre alt/jung und männlich. Wann genau meine Ängste begonnen haben, kann ich gar nicht so genau sagen... Ich weiß nur, dass ich zur Jahrtausendwende, also vor ungefähr 9 Jahren, relativ unbeschwert und angstfrei gelebt habe. Wenn ich mich an diese Zeit zurück erinnere, werde ich echt traurig.
Seit etlichen Jahren leide ich nun schon an einer sehr ekligen Mischung aus Agoraphobie und sozialer Phobie. Das fing damals ziemlich schleichend an. Ich erinnere mich noch, wie ich auf einer Party war und mit einer Person ins Gespräch kam, die mit mir flirtete. Kaum fing die Person an, mit mir Händchen zu halten, ging's los: Mir wurde ganz flau im Magen, ich bekam Magenschmerzen, Blähungen und musste sofort aufs Klo rennen, da ich Durchfall bekam. Das klingt jetzt ziemlich albern, so ähnlich wie Stan aus Southpark, der jedesmal kotzen muss, wenn er mit seiner Angebetenen redet.
Das war damals ein Schlüsselerlebnis für mich. Mittlerweile hat sich diese Angst vor Menschen auf so ziemlich jede Situation meines Lebens ausgeweitet. Ich kann nicht mehr auf Parties oder in Clubs gehen, ohne ständig aufs Klo rennen zu müssen, weil ich Angst habe, es könnte jemand mit mir reden und ich müsste dann das Gespräch unterbrechen, weil ich eben mal ganz dringend wohin muss. Die Angst vor der Reaktion der Leute macht mir dann natürlich doppelt so viel Bauchschmerzen, ein Teufelskreis - man steigert sich dann natürlich rein und malt sich die blödesten Szenarien aus. Nun, Club-Gänge oder Parties kann man noch relativ gut vermeiden, leider habe ich die Ängste, mit anderen ins Gespräch zu kommen, auch sonst - auf der Arbeit zum Beispiel. Dort weiche ich vielen Kollegen aus (arbeite mit zig Leuten Leuten in einem Großraumbüro) und versuche, die Kommunikation auf ein Minimum zu beschränken - oder halt nur per E-Mail zu kommunizieren. An spezielle Sachen wie Gruppenmeetings, Schulungen oder dergleichen darf ich erst gar nicht denken! Denn dann spielt wieder der Faktor Was, wenn ich mal dringend aufs Klo muss? Was denken dann die anderen, wenn ich mitten im Gespräch rausrenne? eine Rolle. Ich habe mich sogar in der Vergangenheit vor wichtigen Meetings schon krank schreiben lassen... Das kann so nicht weitergehen, denn ich schade mir und meiner beruflichen Zukunft.
So, das war der soziale Aspekt meiner Angst. Leider habe ich diesen Klo-Tick auf in Verbindung mit Agoraphobie, weshalb ich fast nur noch zu Hause sitze. Längere Bahn- oder Autofahrten sind für mich der reinste Horror! (Wobei Autofahrten und Bahnfahrten noch gehen, denn dort gibt es entweder im Abteil eine Toilette oder man kann auf einen Rastplatz fahren, wenn man mal muss). Schlimm wird's nur, wenn ich in einen Stau gerate (keine Möglichkeit zu fliehen, kein Klo in Sicht!) oder aber, wenn ich kürzere Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie U-Bahn (kann im Tunnel oder auf offener Strecke stehen bleiben - was dann?) fahre, in denen keine Toiletten installiert sind. Neulich hatte ich wieder ein Schlüsselerlebnis: Ich ging frohen Mutes aus dem Haus, weil ich morgens noch mal auf dem Klo war und mir dachte, dass ich nun gut gewappnet bin und unterwegs sicher nicht mehr muss. Doch in der U-Bahn bekam ich plötzlich Krämpfe. Die Angst, meinen Stuhlgang nicht mehr kontrollieren zu können, ließ die Krämpfe anwachsen und ich musste noch vor meinem Ziel aussteigen und einen McDonalds aufsuchen, um aufs Klo gehen zu können. Zum Glück war es schon nach 9 Uhr morgens und der McDonalds hatte geöffnet!
Mittlerweile wage ich es kaum noch, mich mehrere Kilometer von zu Hause zu entfernen, eben aufgrund der oben beschriebenen Probleme.
Es gibt Tage, da würde ich am liebsten alles hinschmeißen und Schluss machen. Was bleibt mir denn noch für die Zukunft? Ich habe in den letzten Jahren einen Großteil meines Freundeskreises (na ja, sagen wir mal Bekanntenkreises) vergrault, weil ich immer wieder Treffen abgesagt habe. In ein paar Jahren hocke ich sicher alleine da. NOCH bin ich in einer Beziehung, aber ich weiß nicht, wie lange das mein Partner noch mitmacht. Gemeinsame Unternehmungen sind nämlich mittlerweile auch auf ein Minimum reduziert. Es tut mir dann immer leid, wenn ich seine Vorschläge wie Museums-, Kino- oder Zoobesuche ablehnen muss, weil ich Angst habe, dort (oder auf dem Weg dorthin) nicht aufs Klo gehen zu können.
Ich weiß mittlerweile echt nicht mehr weiter. Gibt es unter euch jemanden, der sich in meine Lage hineinversetzen kann? Zu wissen, dass ich nicht alleine bin, würde mir sicher schon ein wenig helfen. Eine Psychotherapie habe ich schon hinter mir, da mein Therapeut aber ein komischer Kauz war, mit dem ich nicht wirklich warm wurde, hat das gerade mal gar nichts gebracht. Habe nun angefangen, Neuroplant aktiv (Johanniskraut-Extrakt, 600mg) zu nehmen, vielleicht lässt mich das ja etwas gelassener im Alltag wirken.
Viele Grüße an euch alle!
Pyro
02.08.2009 17:59 • • 13.09.2009 #1