Hi, liebe Forum-Freunde,
anbei eine 2. Ergänzung zu meinem Beitrag: Wie ich die Agoraphobie/Platzangst überwand:
Die Anthroposophie, von der ich Euch berichtet habe, dass sie mir half die Platzangst zu überwinden, hat eine etwas abweichende Auffassung vom Wesen der Agoraphobie gegenüber der Schulmedizin. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht sind ja z.B. die phobischen Ängste ausschließlich eine durch falsches Denken entstandene Reaktionsweise. In Situationen mit zufällig negativen Körpererfahrungen, denen augenblicklich unrealistische Bewertungen folgen, entstehe eine Angstreaktion bis hin zur Panik. Ein solches Erlebnis würde dann in der Folge zu Unsicherheit führen und damit zur Vermeidung ähnlicher Situationen, und gerät man dennoch in sie hinein, erhöhe sich darin die Angst. Eine Art Spirale von Angst und Vermeidung entstehe, die durch Konfrontationen mit den angstauslösenden Situationen und dem Aushalten der Ängste während des Übens wieder verlernt werden könne, was dann auch in systematisierter Form den Inhalt einer Verhaltenstherapie bildet.
Eine auf diese Art zustande gekommene Angst kommt zwar häufig vor, sie ist aber keine phobische, sondern eine neurotische! Warum? Man betrachte einen Hypochonder, der ein sehr gutes Beispiel abgibt für jemanden, der ständig Falschbewertungen bezüglich seines Befindens und etwaiger körperlicher Symptome hervorbringt und auch in ständiger Furcht vor schweren Erkrankungen lebt, aber doch in der Regel das Haus verlassen kann ohne Panikzustände zu bekommen. Das gleiche gilt für Menschen mit Symptomen, die mit psychosomatischen oder organischen Krankheiten zusammenhängen: auch sie fühlen sich unter Umständen sehr stark beeinträchtigt durch Sorgendenken und Angstzustände, aber niemals so, dass sie deshalb nicht mehr in einem Fahrstuhl oder auf einem freien Platz sich aufhalten oder über eine Brücke gehen könnten usw. Der agoraphobischen Angst muss also ein Erlebnis von spezifisch eigenem Charakter zugrunde liegen!
Die Verhaltenstherapie glaubt, dass dieser spezifisch eigene Charakter der agoraphobischen Angst nur darin liege, dass in bestimmten Situationen, z.B. auf einem freien Platz mit großer Menschenansammlung zufällig gewisse im Grunde harmlose Körpersymptome erlebt und sofort von dem Betreffenden falsch bewertet werden und dadurch in ihm unmittelbar Angst oder sogar Panik entstehe, so dass der Betreffende von nun an freie Plätze und größere Menschenansammlungen dauerhaft verbinde in seinem Denken und Fühlen mit seinem selbst hervorgerufenen und von ihm selbst aufrecht erhaltenen Angsterleben. Und deshalb bekomme er bereits Angst, wenn er nur an ähnliche Situationem denke, geschweige denn, tatsächlich in sie hineinkomme.
Wenn man aber den Schilderungen Betroffener genau zuhört, dann erkennt man, dass die verhaltenstherapeutische Darstellung der Agoraphobie-Entstehung nicht mit der ganzen Wirklichkeit der agoraphobisch Erkrankten übereinstimmt. Was die Verhaltenstherapie beschreibt ist immer nur die neurotische Komplikation der phobischen Erkrankung, das Hinzutreten einer sekundären, neurotischen Angst, nie die Phobie selbst!
Beispiel:
Ein Mensch steht allein an einem Strand und schaut auf das Meer hinaus. Plötzlich bekommt er ein Gefühl, als ob ihm die Kehle zugeschnürt wird (oder ähnliches). Darauf befällt ihn Todesangst, obwohl objektiv und real keine erkennbare Gefahr für ihn wahrzunehmen ist und er sich auch nicht etwas Gefahrvolles unmittelbar vor dem Erlebnis in dieser Situation vorgestellt oder in Gedanken erwartet hatte. Auch ist er nicht krank oder hat Gedanken daran gehabt (Befürchtungen).
Hier haben wir das Beispiel eines allerersten Auftretens einer agoraphobischen Angst beschrieben. Die Angst scheint hier spontan aufzutreten, unabhängig von einer erkennbaren Gefahrenquelle, wie sie sonst bei einer gesunden Angstreaktion normalerweise immer wahrgenommen werden kann. Es tritt jedoch zuallererst ein massives, nicht zufällig(!) erscheinendes Körpersymptom auf. Das können wir als Betroffene unserer Selbstbeobachtung entnehmen, wenn wir sie uns nicht von irgend jemanden, der es besser zu wissen glaubt, umdeuten lassen! Als nächstes tritt dann die Angst auf, das heißt aber, dass das seelische Erleben erst erfolgt, gleichsam als Reaktion, nachdem bereits etwas im Körper verspürt worden ist. Als letztes erfolgt dann erst die Bewertung der Situation bzw. der Versuch, die reale Gefahrenquelle wahrzunehmen (allerdings zunächst vergeblich). Der betreffende Mensch denkt oder sagt sich: Was ist mit mir los? woher kommen diese Symptome, bin ich krank? Oder auch: wovor hab ich Angst? usw. und sucht dann nach einer Ursache.
Die schulmedizinisch- verhaltenstherapeutische Sichtweise glaubt nun allerdings nicht an diese primäre Körpersymptomatik einer Phobie, sondern meint, es handele sich immer nur um zufällige, unbedeutende Symptome, denen gegenüber die betreffende Person in bestimmten Situationen, z.B. in der Warteschlange an der Kasse eines Supermarktes, blitzschnell eine Bewertung als gefahrvoll (durch ein erlerntes Gedankenmuster) folgen lässt, weil dieser Mensch irgendeine oder mehrere schlechte Erfahrungen in ähnlichen Situationen bereits früher einmal erlebt haben muß oder weil er einfach entsprechende Gedankenmuster irgendwann einmal übernommen hat. Daraufhin bekomme er dann Angst bis hin zur Panik als seelische Reaktion auf die falsche Bewertung der Situation.
Aber wie schon gesagt, damit wird immer nur auf die neurotische Komponente der Angsterkrankung hingewiesen, nicht auf das eigentliche phobische Geschehen!
Das der Agoraphobie als solcher zugrundeliegende Geschehen kann nur gefunden, erkannt und therapiert werden, wenn man der Frage nachgeht: was sind und was bedeuten die primär auftretenden Körpersymptome bei einer phobischen Erkrankung?
Sind diese lediglich zufällig, oder gehören dem Formenkreis der sogenannten psychosomatischen Körpersymptome an, oder sind den Symptomen einer organischen Erkrankung zuzuordnende Erscheinungen, dann handelt es sich bei den damit im Zusammenhang auftretenden Angsterlebnissen tatsächlich nur um erlernte Angstreaktionen. So etwas kommt – wie schon erwähnt – selbstverständlich sehr häufig vor und in diesen Fällen sind dann Verhaltenstherapie und psychosomatisch orientierte Therapien auch angezeigt und vollkommen berechtigt. Diese Menschen sind dann aber keine solchen, die an einer Phobie leiden! Sie haben lediglich eine Angstneurose entwickelt aufgrund bestimmter Körpersymptome.
Die Frage ist zu klären: gibt es Körpersymptome, die zu den beschriebenen schweren phobischen Erlebnissen führen, die sich jedoch weder auf zufällige, noch auf autosuggestive, negative Bewertungsmuster, noch auf psychosomatische oder organische Krankheiten zurückführen lassen? Wenn ja, so gilt es die besondere Eigenart dieser Symptome zu erforschen, ihre Ursachen zu ermitteln und auf diesem Weg zu einer Krankheitserkenntnis der Phobien zu gelangen, die erst eine brauchbare Grundlage geben kann zur Entwicklung einer rationellen Therapie. Betrachten wir die verschiedenen Arten von Körpersymptomen:
1. Zufällige (vorübergehende funktionale körperliche Unregelmäßigkeiten).
2. Hypochondrische (durch negative Vorstellungen und Bewertungen bezüglich des körperlichen Befindens ausgelöste oder verstärkte Symptome; man könnte sie auch neurotisch bedingte Symptome nennen.
3. Psychosomatische Symptome (Symptome aus konflikthaftem Dauerstress)
4. Durch organische Erkrankungen bedingte Symptome.
5. Agoraphobische Körpersymptome (auftretend im Erleben des umgebenden Raumes).
Nehmen wir die unter 5. aufgeführten Symptome ernst und fassen sie als eine eigene Kategorie auf, dann können wir ganz sachgemäß feststellen – und hier fängt das anthroposophische Verständnis der Sache an – , dass die Agoraphobie, zu deutsch: Platzangst, basiert auf einem falschen Raumgefühl! Die Empfindungen des uns umgebenden Raumes werden im Körper verspürt, anstatt allein draußen in der Welt! Die falsch wirkenden Empfindungen des engen oder weiten Raumes stören die vegetativen Vorgänge des Körpers, sie wirken darin wie Fremdkörper, oder besser gesagt, wie Fremdkräfte, daher treten primär sehr starke Symptome der Körperirritation auf, wie Beklemmungsgefühle, Kreislaufschwäche, Ohnmachtsneigung, das Gefühl, nicht mehr ganz bei sich zu sein und ähnliches (so als ob mich etwas in meinem körperlichen Selbstgefühl verdrängen will!) und als unmittelbare Folge darauf die Angstgefühle. Diese sind in ihrer Art genauso real wie nur irgendeine andere Angst, die objektiv berechtigt ist! Wenn wir die agoraphobischen Angsterlebnisse also richtig verstehen, verlieren sie ihren irrational erscheinenden Charakter. Auch sie fügen sich dem Schema jeder natürlichen und gesunden Angstreaktion, wenn man ihren eigentlichen Charakter nicht künstlich ausblendet oder umdeutet:
1. Wahrnehmung einer Gefahr (Das falsche Hereinwirken der Außenweltempfindungen in den eigenen Körper als agoraphobische Körpersymptomatik).
2. Angst (als nachvollziehbar-berechtigte seelische Reaktion, weil einer realen, wenn auch zunächst in einer unerklärlichen Weise auftretenden Gefahrenquelle gegenüber).
3. Körpersymptome (als Folge der seelischen Reaktion: Zittern, Schweißausbruch, Erblassen usw.).
Aber relativ schnell nach einem solchen ersten agoraphobischen Erlebnis tritt auch eine irrationale Furcht hinzu, das Sorgendenken und negative Katastrophendenken, ganz einfach deshalb, weil man diese schrecklichen Erlebnisse nicht wieder erleben möchte und sie zu vermeiden strebt. Daher besteht eine manifest gewordene Agoraphobie immer aus zwei Angstformen: aus der primären phobischen Reaktion und aus der sekundären Reaktion durch eine in Gang gekommene tragische Sensibilisierung gegenüber seinem eigenen Körper und der jetzt problematisch gewordenen Umwelt. Das macht es auch so schwer, den spezifisch eigenen Charakter der Platzangst zu erkennen, ganz abgesehen davon, das man zunächst nicht begreifen kann, warum das Raumgefühl auf eine so falsche Weise wirken sollte. Und darin liegt für mich auch der Grund, warum die verhaltenstherapeutische Sichtweise immer nur die sekundäre Reaktion als Phobie mißdeutet und therapeutisch angeht. Die eigentliche Phobie wird so aber gar nicht gesehen, nicht verstanden und auch nicht therapiert!
Ein vollständiges Schema der Agoraphobie:
1. Wahrnehmung einer realen Gefahr (krankhaftes Hereinwirken der Empfindungen der Außenwelt in die eigene Leiblichkeit als konkrete Körpersymptomatik)
2. Angst (als begründete Reaktion auf die objektiv vorhandene Körperirritation)
3. weitere Körpersymptome (ausgelöst durch die Angst: Zittern, Erblassen usw.)
4. Bewertung der Situation als gefahr- und peinvoll
5. Sorgendenken (Sensibilisierung gegenüber dem eigenen Körper und der Umweltreize aufgrund des phobischen Erlebnisses)
6. Flucht und Vermeidungsverhalten aufgrund einer sich herausbildenden Angst vor der Angst
Die Punkte 1-3 kennzeichnen das primäre Geschehen der Phobie als solcher, die Punkte 4-6 dagegen das sekundäre Geschehen, also die neurotische Komplikation.
Warum das Raumgefühl in das körperliche Selbsterleben in dieser irritierenden Weise hereinspielt, ist eine nicht mit wenigen Worten zu erklärende Tatsache. Sie ist etwas, das mit Hilfe der Anthroposophie eine volle Aufklärung erfahren und, was besonders wichtig ist, zu sachlich richtigen therapeutischen Maßnahmen führen kann. Wer darüber Näheres erfahren möchte, möge auf meinen nächsten Beitrag warten oder mir eine PN schreiben, denn um das darzustellen, würde dieser Beitrag viel zu lang werden, was er ja jetzt schon ist, sorry!
Liebe Grüße von Tandera
Weiterlesen:
Teil 1
Teil 3
Teil 4
anbei eine 2. Ergänzung zu meinem Beitrag: Wie ich die Agoraphobie/Platzangst überwand:
Die Anthroposophie, von der ich Euch berichtet habe, dass sie mir half die Platzangst zu überwinden, hat eine etwas abweichende Auffassung vom Wesen der Agoraphobie gegenüber der Schulmedizin. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht sind ja z.B. die phobischen Ängste ausschließlich eine durch falsches Denken entstandene Reaktionsweise. In Situationen mit zufällig negativen Körpererfahrungen, denen augenblicklich unrealistische Bewertungen folgen, entstehe eine Angstreaktion bis hin zur Panik. Ein solches Erlebnis würde dann in der Folge zu Unsicherheit führen und damit zur Vermeidung ähnlicher Situationen, und gerät man dennoch in sie hinein, erhöhe sich darin die Angst. Eine Art Spirale von Angst und Vermeidung entstehe, die durch Konfrontationen mit den angstauslösenden Situationen und dem Aushalten der Ängste während des Übens wieder verlernt werden könne, was dann auch in systematisierter Form den Inhalt einer Verhaltenstherapie bildet.
Eine auf diese Art zustande gekommene Angst kommt zwar häufig vor, sie ist aber keine phobische, sondern eine neurotische! Warum? Man betrachte einen Hypochonder, der ein sehr gutes Beispiel abgibt für jemanden, der ständig Falschbewertungen bezüglich seines Befindens und etwaiger körperlicher Symptome hervorbringt und auch in ständiger Furcht vor schweren Erkrankungen lebt, aber doch in der Regel das Haus verlassen kann ohne Panikzustände zu bekommen. Das gleiche gilt für Menschen mit Symptomen, die mit psychosomatischen oder organischen Krankheiten zusammenhängen: auch sie fühlen sich unter Umständen sehr stark beeinträchtigt durch Sorgendenken und Angstzustände, aber niemals so, dass sie deshalb nicht mehr in einem Fahrstuhl oder auf einem freien Platz sich aufhalten oder über eine Brücke gehen könnten usw. Der agoraphobischen Angst muss also ein Erlebnis von spezifisch eigenem Charakter zugrunde liegen!
Die Verhaltenstherapie glaubt, dass dieser spezifisch eigene Charakter der agoraphobischen Angst nur darin liege, dass in bestimmten Situationen, z.B. auf einem freien Platz mit großer Menschenansammlung zufällig gewisse im Grunde harmlose Körpersymptome erlebt und sofort von dem Betreffenden falsch bewertet werden und dadurch in ihm unmittelbar Angst oder sogar Panik entstehe, so dass der Betreffende von nun an freie Plätze und größere Menschenansammlungen dauerhaft verbinde in seinem Denken und Fühlen mit seinem selbst hervorgerufenen und von ihm selbst aufrecht erhaltenen Angsterleben. Und deshalb bekomme er bereits Angst, wenn er nur an ähnliche Situationem denke, geschweige denn, tatsächlich in sie hineinkomme.
Wenn man aber den Schilderungen Betroffener genau zuhört, dann erkennt man, dass die verhaltenstherapeutische Darstellung der Agoraphobie-Entstehung nicht mit der ganzen Wirklichkeit der agoraphobisch Erkrankten übereinstimmt. Was die Verhaltenstherapie beschreibt ist immer nur die neurotische Komplikation der phobischen Erkrankung, das Hinzutreten einer sekundären, neurotischen Angst, nie die Phobie selbst!
Beispiel:
Ein Mensch steht allein an einem Strand und schaut auf das Meer hinaus. Plötzlich bekommt er ein Gefühl, als ob ihm die Kehle zugeschnürt wird (oder ähnliches). Darauf befällt ihn Todesangst, obwohl objektiv und real keine erkennbare Gefahr für ihn wahrzunehmen ist und er sich auch nicht etwas Gefahrvolles unmittelbar vor dem Erlebnis in dieser Situation vorgestellt oder in Gedanken erwartet hatte. Auch ist er nicht krank oder hat Gedanken daran gehabt (Befürchtungen).
Hier haben wir das Beispiel eines allerersten Auftretens einer agoraphobischen Angst beschrieben. Die Angst scheint hier spontan aufzutreten, unabhängig von einer erkennbaren Gefahrenquelle, wie sie sonst bei einer gesunden Angstreaktion normalerweise immer wahrgenommen werden kann. Es tritt jedoch zuallererst ein massives, nicht zufällig(!) erscheinendes Körpersymptom auf. Das können wir als Betroffene unserer Selbstbeobachtung entnehmen, wenn wir sie uns nicht von irgend jemanden, der es besser zu wissen glaubt, umdeuten lassen! Als nächstes tritt dann die Angst auf, das heißt aber, dass das seelische Erleben erst erfolgt, gleichsam als Reaktion, nachdem bereits etwas im Körper verspürt worden ist. Als letztes erfolgt dann erst die Bewertung der Situation bzw. der Versuch, die reale Gefahrenquelle wahrzunehmen (allerdings zunächst vergeblich). Der betreffende Mensch denkt oder sagt sich: Was ist mit mir los? woher kommen diese Symptome, bin ich krank? Oder auch: wovor hab ich Angst? usw. und sucht dann nach einer Ursache.
Die schulmedizinisch- verhaltenstherapeutische Sichtweise glaubt nun allerdings nicht an diese primäre Körpersymptomatik einer Phobie, sondern meint, es handele sich immer nur um zufällige, unbedeutende Symptome, denen gegenüber die betreffende Person in bestimmten Situationen, z.B. in der Warteschlange an der Kasse eines Supermarktes, blitzschnell eine Bewertung als gefahrvoll (durch ein erlerntes Gedankenmuster) folgen lässt, weil dieser Mensch irgendeine oder mehrere schlechte Erfahrungen in ähnlichen Situationen bereits früher einmal erlebt haben muß oder weil er einfach entsprechende Gedankenmuster irgendwann einmal übernommen hat. Daraufhin bekomme er dann Angst bis hin zur Panik als seelische Reaktion auf die falsche Bewertung der Situation.
Aber wie schon gesagt, damit wird immer nur auf die neurotische Komponente der Angsterkrankung hingewiesen, nicht auf das eigentliche phobische Geschehen!
Das der Agoraphobie als solcher zugrundeliegende Geschehen kann nur gefunden, erkannt und therapiert werden, wenn man der Frage nachgeht: was sind und was bedeuten die primär auftretenden Körpersymptome bei einer phobischen Erkrankung?
Sind diese lediglich zufällig, oder gehören dem Formenkreis der sogenannten psychosomatischen Körpersymptome an, oder sind den Symptomen einer organischen Erkrankung zuzuordnende Erscheinungen, dann handelt es sich bei den damit im Zusammenhang auftretenden Angsterlebnissen tatsächlich nur um erlernte Angstreaktionen. So etwas kommt – wie schon erwähnt – selbstverständlich sehr häufig vor und in diesen Fällen sind dann Verhaltenstherapie und psychosomatisch orientierte Therapien auch angezeigt und vollkommen berechtigt. Diese Menschen sind dann aber keine solchen, die an einer Phobie leiden! Sie haben lediglich eine Angstneurose entwickelt aufgrund bestimmter Körpersymptome.
Die Frage ist zu klären: gibt es Körpersymptome, die zu den beschriebenen schweren phobischen Erlebnissen führen, die sich jedoch weder auf zufällige, noch auf autosuggestive, negative Bewertungsmuster, noch auf psychosomatische oder organische Krankheiten zurückführen lassen? Wenn ja, so gilt es die besondere Eigenart dieser Symptome zu erforschen, ihre Ursachen zu ermitteln und auf diesem Weg zu einer Krankheitserkenntnis der Phobien zu gelangen, die erst eine brauchbare Grundlage geben kann zur Entwicklung einer rationellen Therapie. Betrachten wir die verschiedenen Arten von Körpersymptomen:
1. Zufällige (vorübergehende funktionale körperliche Unregelmäßigkeiten).
2. Hypochondrische (durch negative Vorstellungen und Bewertungen bezüglich des körperlichen Befindens ausgelöste oder verstärkte Symptome; man könnte sie auch neurotisch bedingte Symptome nennen.
3. Psychosomatische Symptome (Symptome aus konflikthaftem Dauerstress)
4. Durch organische Erkrankungen bedingte Symptome.
5. Agoraphobische Körpersymptome (auftretend im Erleben des umgebenden Raumes).
Nehmen wir die unter 5. aufgeführten Symptome ernst und fassen sie als eine eigene Kategorie auf, dann können wir ganz sachgemäß feststellen – und hier fängt das anthroposophische Verständnis der Sache an – , dass die Agoraphobie, zu deutsch: Platzangst, basiert auf einem falschen Raumgefühl! Die Empfindungen des uns umgebenden Raumes werden im Körper verspürt, anstatt allein draußen in der Welt! Die falsch wirkenden Empfindungen des engen oder weiten Raumes stören die vegetativen Vorgänge des Körpers, sie wirken darin wie Fremdkörper, oder besser gesagt, wie Fremdkräfte, daher treten primär sehr starke Symptome der Körperirritation auf, wie Beklemmungsgefühle, Kreislaufschwäche, Ohnmachtsneigung, das Gefühl, nicht mehr ganz bei sich zu sein und ähnliches (so als ob mich etwas in meinem körperlichen Selbstgefühl verdrängen will!) und als unmittelbare Folge darauf die Angstgefühle. Diese sind in ihrer Art genauso real wie nur irgendeine andere Angst, die objektiv berechtigt ist! Wenn wir die agoraphobischen Angsterlebnisse also richtig verstehen, verlieren sie ihren irrational erscheinenden Charakter. Auch sie fügen sich dem Schema jeder natürlichen und gesunden Angstreaktion, wenn man ihren eigentlichen Charakter nicht künstlich ausblendet oder umdeutet:
1. Wahrnehmung einer Gefahr (Das falsche Hereinwirken der Außenweltempfindungen in den eigenen Körper als agoraphobische Körpersymptomatik).
2. Angst (als nachvollziehbar-berechtigte seelische Reaktion, weil einer realen, wenn auch zunächst in einer unerklärlichen Weise auftretenden Gefahrenquelle gegenüber).
3. Körpersymptome (als Folge der seelischen Reaktion: Zittern, Schweißausbruch, Erblassen usw.).
Aber relativ schnell nach einem solchen ersten agoraphobischen Erlebnis tritt auch eine irrationale Furcht hinzu, das Sorgendenken und negative Katastrophendenken, ganz einfach deshalb, weil man diese schrecklichen Erlebnisse nicht wieder erleben möchte und sie zu vermeiden strebt. Daher besteht eine manifest gewordene Agoraphobie immer aus zwei Angstformen: aus der primären phobischen Reaktion und aus der sekundären Reaktion durch eine in Gang gekommene tragische Sensibilisierung gegenüber seinem eigenen Körper und der jetzt problematisch gewordenen Umwelt. Das macht es auch so schwer, den spezifisch eigenen Charakter der Platzangst zu erkennen, ganz abgesehen davon, das man zunächst nicht begreifen kann, warum das Raumgefühl auf eine so falsche Weise wirken sollte. Und darin liegt für mich auch der Grund, warum die verhaltenstherapeutische Sichtweise immer nur die sekundäre Reaktion als Phobie mißdeutet und therapeutisch angeht. Die eigentliche Phobie wird so aber gar nicht gesehen, nicht verstanden und auch nicht therapiert!
Ein vollständiges Schema der Agoraphobie:
1. Wahrnehmung einer realen Gefahr (krankhaftes Hereinwirken der Empfindungen der Außenwelt in die eigene Leiblichkeit als konkrete Körpersymptomatik)
2. Angst (als begründete Reaktion auf die objektiv vorhandene Körperirritation)
3. weitere Körpersymptome (ausgelöst durch die Angst: Zittern, Erblassen usw.)
4. Bewertung der Situation als gefahr- und peinvoll
5. Sorgendenken (Sensibilisierung gegenüber dem eigenen Körper und der Umweltreize aufgrund des phobischen Erlebnisses)
6. Flucht und Vermeidungsverhalten aufgrund einer sich herausbildenden Angst vor der Angst
Die Punkte 1-3 kennzeichnen das primäre Geschehen der Phobie als solcher, die Punkte 4-6 dagegen das sekundäre Geschehen, also die neurotische Komplikation.
Warum das Raumgefühl in das körperliche Selbsterleben in dieser irritierenden Weise hereinspielt, ist eine nicht mit wenigen Worten zu erklärende Tatsache. Sie ist etwas, das mit Hilfe der Anthroposophie eine volle Aufklärung erfahren und, was besonders wichtig ist, zu sachlich richtigen therapeutischen Maßnahmen führen kann. Wer darüber Näheres erfahren möchte, möge auf meinen nächsten Beitrag warten oder mir eine PN schreiben, denn um das darzustellen, würde dieser Beitrag viel zu lang werden, was er ja jetzt schon ist, sorry!
Liebe Grüße von Tandera
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Teil 1
Teil 3
Teil 4
12.05.2013 22:06 • • 12.05.2013 #1