als jahrelanger Betroffener von Panikattacken möchte ich euch Mut machen. Ich möchte euch nicht mit Binsenweisheiten volltexten oder euch mit Pseudoerfahrungen berieseln, sondern lediglich aus ganzem Herzen und aus eigener Lebenserfahrung sagen, dass ihr es schaffen könnt, eure Panikattacken VOLLSTÄNDIG und - OHNE WENN UND ABER - zu heilen.
Vor ungefähr 7-8 Jahren hatte ich zum ersten Mal meine erste Panikattacke aus heiterem Himmel. Ich weiß, was für ein Gefühl eine Panikattacke verursacht und wie verzweifelt und hilflos man sich in dem Moment fühlt. Im Laufe der Jahre habe ich so manche Erfahrungen gemacht.
- Ich war mehrmals im Krankenhaus, weil ich dachte, dass ich einen Schlaganfall oder dergleichen bekomme. Immer wieder wurde mir dann von Ärzten mitgeteilt, dass es sich lediglich um eine Angstattacke handle.
- Oft kam es mir so vor, als ob ich aufhören würde zu atmen, weil meine Brust sich immer enger zusammenschnürte und sich die Atmung unecht anfühlte.
- Regelmäßig saß ich beim Autofahren erstarrt am Steuer, weil ich dachte, dass ich hilflos im Stau stecken bleibe und Panikanfälle bekomme und mir keiner helfen kann.
- Manchmal hatte ich Phasen, da kam es mir vor, als ob Angstattacken und angstvolle Gedanken nie aufhören würden. Die Angst die Kontrolle zu verlieren, völlig durchzudrehen oder meine größte Angst - Schizophren zu werden - war so groß, dass ich mich fragte, ob es überhaupt noch Wert ist zu leben.
Ein hoher Puls, ein drückender Knoten im Hals, unkontrollierte Gedanken und ein Gefühl von Ich bin im Moment nicht da, alles fühlt sich so unecht an. Sitzt mein Verstand eigentlich noch in meinem Körper? Ich fühle meinen Körper nämlich nicht waren meine ständigen Wegbegleiter. Es ging so weit, dass ich Angst vor der Angst vor der Angst, der Angst... hatte. Denk jetzt nicht an den Gedanken, sonst bekommst du eine Panikattacke, dachte ich mir oft. Und genau so, wie wenn einer sagt, dass man nicht an einen Rosa Elefanten denken solle, musste ich dran denken.
Ich konnte beim Arzt keinen Puls mehr messen lassen, keine EKG funktionierte. Denn ich dachte immer nur währenddessen: Bekomm' jetzt bloß keine Panikattacke, sonst schießt dein Puls in die Höhe.... und man kann sich vorstellen, was dann passierte.
Ich bildete mir immer neue Sachen ein. Ist das eine Stimme?, Hat mein rechter Oberschenkel gerade gezuckt? Tatsächlich! Irgendetwas muss mit mir nicht stimmen! usw., usw., usw., usw.......
Mein Vater leidet seit Jahren an Platzangst, seit er in der Rohrbaubranche im Rohr stecken blieb und die Maschinen, die ihn rausziehen sollten, nicht funktionierten. Ich dachte mir, dass es vielleicht genetisch bedingt sei, dass meine Panikattacken kein Zufall sein konnten.
Später bekam ich fast selbst Platzangst. Ich fing an psychologische Bücher über Ängste und Phobien zu lesen und darunter leidete auch mein eigenes Studium. Doch je mehr ich laß, desto mehr dachte ich, dass das Gelesene mich beeinflussen könnte und ich auch DIESE Ängste bekommen würde.
Also hörte ich auf zu lesen. Ich hielt mich von allem fern, dass auch nur im Geringsten mit Negativität, mit Ängsten oder mit Depressionen zu tun hatte. Ich brach den Kontakt zu depressiv angehauchten Freunden ab, sprach nicht mehr mit Verwandten, die negativ eingestellt waren. Ich unterbrach meine Gedanken mit ABLENKUNG. Das schien zu helfen. Bloß musste ich mich immer ablenken. Muster unterbrechen, nannte ich es. Ich hörte Musik, wenn es mir schlecht ging, mischte mich unter Fremde Leute in Einkaufsmeilen in ganz extremen Phasen.
Das alles schien zu helfen. Ich bekam Panikattacken nur noch unregelmäßig, vielleicht nur 6-15 Mal im Jahr, wenn es hoch kam. Ich konnte mein Leben leben, auch wenn ich ab und zu 1-3 Wöchige Panikphasen ertragen musste. Meine Techniken halfen teilweise.
Doch das alles war nichts als Verdrängung. Im November 2009, kurz nachdem ich die Abschlussprüfung für die Uni versemmelte, bekam ich eine MORDSpanikattacke. Selbst die Ablenkungstechniken halfen nicht mehr. Meine Gedanken hatten die Kontrolle über mein Denken übernommen. Lenk dich ab, dachte ich. Und im nächsten Moment Was aber, wenn du im nächsten Moment doch an einen Gedanken denkst, an den du nicht denken solltest? Was, wenn du völlig duchdrehst und selbst die Ablenkung nicht mehr hilft?
Ich musste mich geschlagen geben. Daraufhin bekam ich eine Panickattacke, die gefühlte 3 Menschenleben dauerte (in Wirklichkeit höchstens 10min, so schätze ich).
Entweder musste ich von nun an zum Psychiater gehen und mir die stärksten Medikamente verschreiben lassen, die es auf dem Psychomarkt gibt oder mich UMBRINGEN.
Da ich beides nicht wollte, sah ich keine andere Lösung. Ich weiß noch genau, wie ich in meinem Arbeitszimmer saß und mir aufschrieb, was das SCHLIMMSTE wäre, dass mir je passieren konnte. Ganz klar, es war die Schizophrenie.
Doch selbst dafür gäbe es eine Lösung. Ich könnte Medikamente nehmen. Klar, sie würden mich zum halben Wrack machen, aber ich würde leben, ja sogar arbeiten, Geld verdienen, eine Familie gründen (falls ich Potenzmittel gegen die potenzhemmenden Nebenwirkungen der Medikamente einnahm).
In Anbetracht dieser Tatsachen nahm ich mir vor, dass ich nicht mehr Angst haben wollte. Ich wollte, komme was wolle, keiner Angst der Welt erlauben, dass sie mein Leben beeinflusste.
ICH SUCHTE DIE KONRONTATION! Wie ein Krieger, der nichts mehr zu verlieren hat, außer seine Würde, wenn er ängstlich vor dem Kampf davonläuft. Ich fühlte mich wie eine Mutter, die ihr Leben für Ihre Kinder ( in dem Fall für meine Würde und das Recht zu leben) geben wollte, um sie vor einer hungrigen Gruppe von Löwen zu beschützen.
Für Außenstehende mag das alles lächerlich vorkommen, da sie nie verstehen werden, wie sich Panikattacken anfühlen. Viele, selbst meine damalige Freundin, nahm mich nicht wirklich ernst, obwohl sie verständnisvoll wirken wollte. Dafür danke ich ihr trotzdem bis heute! Sie KANN ES einfach nicht verstehen, selbst, wenn sie wollte. Denn Panikattacken können nur diejenigen nachvollziehen, die selbst Erfahrungen damit gemacht haben.
Also stellte ich mich meiner Angst... Wenn ich etwas NICHT verlieren wollte, dann mein Recht ein normales Leben zu führen. Und da kam sie auch schon, die Panickattacke!
Ein bedrückendes Gefühl im Brustbereich, Gedanken schweifen ins Negative ab, Angst durchzudrehen und den Verstand zu verlieren, in der Klappse zu landen.... DAS kenne ich alles schon. Schließlich habe ich es mehrere hundert Male über die Jahre hinweg erlebt. Diesmal werde ich mich nicht dagegen wehren, sondern versuchen, ES ZU GENIEßEN! Ja, das mag sich paradox anhören.
Aber ich wollte es zulassen, das höchste Ausmaß der Panickattacke spüren, zum Limit kommen, um endlich eine Entscheidung treffen zu können: Die stärksten Medikamente nehmen oder Heilung finden, indem ich mich meiner Angst stelle.
Tatsächlich schien es, als käme die Panickattacke auf mich zu und würde mich erwürgen und verschlingen.
Nach einigen Sekunden dann das Nirvana: ALLES IST OK. ICH FÜHLE MICH GUT. Die Angst darf auf mich zukommen und alles mit mir machen, was sie will. Aber jetzt wo sie darf, will sie nicht. Zumindest nicht so lange wie sonst. Diesmal waren es nur wenige Sekunden. Doofes Ding. „Und vor dir habe ich all die Jahre Angst gehabt?“
Diejenigen, die meine Geschichte bis hierher gelesen haben, können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was für ein befreiendes Gefühl das ist. Während ich diese Zeilen schreibe, weine ich. Aber es sind keine Tränen der Angst, sondern Tränen der Dankbarkeit und der Erfüllung.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was für eine Last damals von mir fiel. All die Jahre der Unterdrückung durch meine Angst, all die Skla. der Gedanken.... ALLES WEG innerhalb weniger Sekunden, weil ich DIE ultimative Methode gegen Panikattacken am eigenen Leib erfahren habe.
Seit ich denken kann, bin ich Atheist und habe nie an Gott geglaubt. Noch immer glaube ich nicht wirklich an Gott. Aber ich fühle mich einfach dankbar. Ich möchte der Menschheit, allen Lebewesen und jeglicher Materie in diesem Universum dafür danken, dass ich diese Befreiung erleben durfte.
Und, weil ich das Gefühl mit euch, liebe Mitleidenden, teilen möchte, will ich euch Hoffnung machen und euch mit dem tiefsten Glauben aus ganzem Herzen versichern:
IHR KÖNNT ES AUCH SCHAFFEN! Gebt niemals auf und geht den Weg der Konfrontation, auch wenn er schwierig scheint.
Gruß,
Erkan
23.05.2011 00:41 • • 02.04.2012 x 1 #1